Im deutschen Parlament haben sich am Mittwoch hitzige Szenen abgespielt. AfD-Chefin Alice Weidel nannte Regierungschef Friedrich Merz „Lügenkanzler“ und teilte in ihrer Rede vor den Abgeordneten dermaßen aus, dass ihr zwischenzeitlich der Rauswurf drohte.
Die Chefin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) warf ihm Wortbruch vor, wiederholte den AfD-Vorwurf vom Wahlbetrug und nannte ihn einen „Lügenkanzler“. Merz wies die Vorwürfe entschieden zurück.
„Für die bitter enttäuschten Bürger sind Sie schon jetzt der Lügenkanzler, Herr Merz, dessen gebrochene Wahlversprechen ganze Kataloge füllen“, sagte Weidel. Sie hielt ihm dabei die noch mit dem alten Bundestag nach der Bundestagswahl verabschiedete Lockerung der Schuldenbremse vor und sprach von einem „beispiellosen Staatsstreich“. Das nun debattierte Budget und die Finanzplanung der Regierung seien eine „Schuldenorgie“. Weidel kritisierte unter anderem die Unterstützung für die Ukraine.
Kanzler sieht „üble Nachrede“
Merz konterte umgehend. „Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen“, sagte der Christdemokrat in der Budgetdebatte. „Ich weise Ihre pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung deshalb mit aller Entschiedenheit zurück.“
Zuvor hatte bereits Bundestagspräsidentin Julia Klöckner einen angemessenen Umgangston im Parlament eingemahnt. „Wir würdigen uns hier nicht persönlich herab und bezichtigen uns der Lüge“, sagte die CDU-Politikerin nach der Rede der rechten Politikerin. Bei späteren Zwischenrufen drohte Klöckner sogar mit Rauswurf: „Frau Weidel, sonst können Sie den Saal hier verlassen.“ SPD-Fraktionschef Matthias Miertsch führte unter dem Eindruck von Weidels Rede erneut ein Verbotsverfahren gegen die AfD ins Feld. „Nicht umsonst haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch ein Parteiverbot in die Verfassung aufgenommen. Und ihre Rede heute war ein Beispiel dafür, dass Sie verfassungsfeindlich hier agieren, und deshalb muss es auch ein Verbotsverfahren geben“, sagte Miersch.
Weidel wettert über „Wahlbetrug“
Wortbruch warf Weidel Merz beim Thema Stromsteuer vor, die zunächst nicht, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, für alle gesenkt werden soll. „Ihr Wort ist nichts wert, selbst wenn es schwarz auf weiß in Ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht“, sagte Weidel. Sie nannte Merz einen „Papierkanzler“, der sich von der SPD vorführen lasse. Seine Kanzlerschaft gehe „als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein“.
Wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt.

Friedrich Merz
Bild: AFP/JOHN MACDOUGALL
In ihrer Rede griff sie die Regierung auch bei der Migrationspolitik an und sprach von „migrationspolitischen Schaufensterübungen“. Die veranlassten Grenzkontrollen seien mangelhaft, die Einschränkungen beim Familiennachzug „homöopathisch“. Weidel zeichnete ein düsteres Bild des Landes und erwähnte Messerangriffe, Sexualdelikte, Übergriffe in Freibädern und schlechte Zuständen an Schulen. „Die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran“, sagte Weidel weiter.
„Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun“, bilanzierte Merz die ersten zwei Monate seiner Regierungszeit. Schwarz-Rot wolle allen Menschen in Deutschland, „den Mut und die Zuversicht vermitteln“, dass es sich lohne in diesem Land zu arbeiten und es ein großes Glück sei, hier in Frieden und Freiheit zu leben. „Wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen“, sagte Merz.
„Wir wollen, dass Deutschland ein offenes ein liberales, ein freiheitliches Land bleibt und wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt.“ Mit der Budgetplanung werde auch der Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land gelegt, und die neue Regierung habe damit „die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet“, verteidigte Merz die dafür beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen.
Russland als Grund für Wende
Merz hob in seiner Rede die Entscheidung der Regierung für wesentlich mehr Verteidigungsausgaben in Deutschland hervor. Man habe in EU und NATO eine Führungsverantwortung übernommen, und die im März beschlossene Verfassungsänderung ermögliche, erhebliche Anstrengungen zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu unternehmen.
„Wenn wir das nicht getan hätten und wenn wir nicht mehr bereit gewesen wären, für unsere Verteidigung auszugeben, wenn wir AfD und Linkspartei gefolgt wären, dann wäre die NATO wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen.“ Noch in seiner vorherigen Besetzung hatte das deutsche Parlament unter anderem eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert.
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