Ein armer jüdischer Lehrer im russischen Schtetl wird von Jehova unermesslich versucht und belohnt: Joseph Roths „Hiob“ bewegt unter herausfordernden Umständen bei den Festspielen Reichenau.
Feindseliger kann das Verhängnis einer Premiere nicht begegnen: Während der Generalprobe am Vorabend brach sich der betagte Wolfgang Hübsch auf offener Szene die Schulter. Die Beteiligten verbrachten die Nacht damit, die fünf ihm zugedachten Rollen auf das Ensemble aufzuteilen.
Am Ende wechselten sogar die Regisseurin Alexandra Liedtke und der wunderbare Violinvirtuose Aljoscha Biz das Fach, und der Protagonist Joseph Lorenz führte Dialog mit sich selbst (Günter Franzmeier übernimmt ab sofort). All das in einer Aufführung, die auf leerer Bühne einzig der Magie des Textes und der inspirierten Präzision der Schauspieler vertraut. Das Verfahren bewährt sich auch unter den herausfordernden Umständen glanzvoll.
Roths russischer Hiob wurde zuvor kaum überzeugend für die Bühne bearbeitet. Die Regisseurin meistert die Aufgabe mit Glanz, indem sie sich für lange Prosapassagen Zeit nimmt und bis auf einige klug eingearbeitete Briefe Roths auf Fremdtexte verzichtet.
Alles liegt auf den Schultern der Schauspieler. Lorenz ist ein heute fast schon konkurrenzloser Virtuose der Textbehandlung. Er investiert diese Fertigkeit allerdings nicht in eitles Pirouettendrehen, sondern in eine jüdische Schmerzensgestalt, die in ihrer Größe und Klarheit wie ein Mahnmal gegen den hochkochenden antisemitischen Wahnsinn steht. Julia Stemberger als zweite Protagonistin, Katharina Lorenz, Alex Kapl und Gregor Schulz formieren ein Ensemble hoch motivierter Könner, das durch keine Schicksalszumutungen zu beeindrucken ist.
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