Freitagabend spielten die Hard-Rock-Legenden Guns N‘ Roses als erste Band überhaupt ein abendfüllendes Konzert in der Münchner Allianz-Arena. Axl Rose und Co. zelebrierten mehr als drei Stunden lang ihre größten Hits, die zuweilen wackelige Gesangsleistung wurde vom Teamwork und instrumentalen Abfahrten vergessen gemacht. Am 24. Juli kommt das kalifornische Kollektiv für das „Krone“-Konzert ins Wiener Happel-Stadion.
Das Hauptaugenmerk wird von vielen dieses Mal nicht auf die Band, sondern auf den Rahmen gelenkt. Wenn Guns N‘ Roses nach 2017 und 2022 zum dritten Mal in ihrer jüngeren Vergangenheit nach München kommen, tun sie das erstmals nicht im Olympiastadion. Die Kultstädte mit dem zeltförmigen Dach muss dringend saniert werden, wodurch ab sofort bis 2027 alle Großkonzerte in der Allianz-Arena, dem Heimstadion des FC Bayern München stattfinden. Diese Umstellung wurde im Vorfeld mit ordentlich Nervosität begleitet. Die neue Stätte fasst aufgrund der Bühnen- und Platzsituation weniger Zuschauer, der Bundesligarasen musste mühsam mit einem eigenen Boden belegt werden und das Anreisekonzept sind Fußball-, aber nicht Rockfans gewohnt.
Das Ausverkaufen wird schwer
Die einzige U-Bahn-Linie, die im fünf-Minuten-Takt die Station „Fröttmaning“ ansteuert, reicht aber tatsächlich aus. Für die restlichen 15 Minuten Fußmarsch, der zu den Eingangstoren mit „Willkommen zu Guns N‘ Roses“-LED-Binden führt, kann man sich am Weg aber mit Brezen, Bier, Spirituosen oder Hot Dogs eindecken. Vielleicht nicht die ideale Nahrung für ein wolkenloses Open-Air bei knapp 30 Grad, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Besonders ins Auge gefallen ist ein Schwarzverkäufer, der seine einzige Ware besonders kreativ anpries: „Wer will Jägermeister? Hat jemand Lust, sich kaputtzumachen?“ Dass nur rund 55.000 statt 70.000 Fans (wie im Münchner Olympiastadion) reinpassen, macht aber nichts. Auf ihrer – bitte nicht die Zunge brechen – „Because What You Want And What You Get Are Two Completely Different Things“-Tour tun sich die Rock-Legenden mit dem Ausverkaufen schon etwas schwer. Das liegt einerseits an den fulminanten Ticketpreisen, andererseits daran, dass der Schmäh mit dem gemeinsamen Comeback von Axl Rose und Slash ohne neue Musik nach mittlerweile neun Jahren ein bisschen ausgelutscht ist.
Andererseits – wer zu den Guns geht, der kriegt auch was geboten. Unter drei Stunden geben es die Kalifornier normalerweise nicht, auch heute stößt man mit einer 31 Songs starken Setlist in lichte Sphären. Um 19.45 Uhr, später als gedacht und eine Dreiviertelstunde nach dem die ambitionierte und starke Vorband Rival Sons die Bühne verlassen hat, steigen Axl Rose und Co. etwas überraschend mit dem Klassiker „Welcome To The Jungle“ ins abendliche Set ein. Normalerweise leitet man ein Konzert mit „It’s So Easy“ ein, das muss heute ein bisschen warten. Vorab tanzten auf den Videowänden KI-generierte Außerirdische vor einem dreidimensionalen, ausgeschmückten Kreuz herum, während Rock-Klassiker von Rage Against The Machine, L7 oder Nirvana aus den Boxen drangen. Noch vor gut 30 Jahren hätten sich Axl Rose und Kurt Cobain am liebsten umgebracht – aber the times they are a-changin‘, wie ein Großer der Rock’n’Roll-Zunft einst richtig bemerkte.
Die Rollen sind klar verteilt
Bei Guns N‘ Roses ändert sich zwar die Setlist jeden Abend, alles andere ist aber in Stein gemeißelt. Saitenzauberer Slash darf seine klobigen Finger behände übers Griffbrett sausen lassen und nimmt mit seinen Soli allein sicher eine halbe Stunde der Gesamtspielzeit ein. Der alte Punk Duff McKagan bildet am Bass das solide Rhythmusfundament, darf dieses Mal den Misfits-Song „Attitude“ singen und glänzt mit stoischer Nüchternheit. Beim legendären Bob-Dylan-Cover „Knockin‘ On Heavens Door“ und dem Guns-Kultstück „Rocket Queen“ darf Zweitgitarrist Richard Fortus auch mal ins Solo-Rampenlicht steigen, die Tasteninstrumentalisten Dizzy Reed und Melissa Reese halten sich dezent im Hintergrund. Auch schon gut eingespielt ist Drummer-Neuling Isaac Carpenter, den Kumpel McKagan unlängst von Awolnation loseiste, weil Frank Ferrer nach 19 Jahren aus noch immer ungeklärten Umständen während der aktuellen Tour ausstieg. Carpenter, ein lebenslanger Guns-Fan, liebt es, spielerische Fills einzubauen und gibt den Tracks damit zuweilen noch mehr Drive.
Ob Zufall oder nicht, dass ausgerechnet die drei Old-School-Granden Rose, Slash und McKagan als einzige Sonnenbrille tragen, kann fast als eine Wertigkeitsunterscheidung innerhalb des Band-Kosmos gesehen werden. Auf Spielereien wie Pyrotechnik, Konfetti oder derartiges Brimborium verzichten Guns N‘ Roses zugunsten einer erdigen Hard-Rock-Show, die aber ein bisschen Anlauf braucht. Mit Songs wie „Chinese Democracy“, „Pretty Tied Up“, dem grandiosen, live aber sperrigen „Coma“, „Absurd“ oder „Hard Skool“ setzt man vornehmlich auf neueres und deutlich schwächeres Material, das nur selten von Hits durchbrochen wird. Die Kehrtwende wird durch „Civil War“ strenggenommen erst nach mehr als zwei Stunden eingeleitet, bis dahin freuen sich zwar die Hardcore-Fans, nicht aber jener Anteil hitverliebter Anhänger, die aufgrund der vielen sperrigen Nummern auf Top-Tracks wie „Don’t Cry“, „Anything Goes“ oder „Yesterdays“ ganz verzichten müssen. Der auf der Bühne oft verunfallte Axl Rose (es gibt eigene Compilations davon) regentänzelt sich rück- und seitwärts über die Bühne, bleibt aber dieses Mal standfest.
Ambivalente Angelegenheit
Nicht so ganz ist das mit seiner Stimme der Fall. So gut wie zuletzt 2016 und 2017 (nachdem er bei AC/DC einsprang) wird er wohl nicht mehr, allerdings ist sein Timbre wesentlich besser als in den 2000er- und frühen 2010er-Jahren, wo die Menschen oft in Scharen vor Axls Gekreische davonliefen. Axl Rose anno 2025 ist altersmilde und zugänglich. Er ist stets pünktlich auf der Bühne, strahlt viel Sympathie aus, witzelt herum und tätschelt McKagan während „Absurd“ sogar zärtlich an der Schulter. Die markante Sägenstimme setzt aber vor allem im Finish öfters aus. „Nightrain“, „Patience“ und das Jimmy Webb-Cover „Wichita Lineman“ knarzen doch etwas schmerzhaft in den Ohren, auch die Piano-Ballade „November Rain“ wird ein Opfer der fehlenden Stimmgewalt des Frontmannes. Bei Tracks wie dem Wings-Cover „Live And Let Die“, „Mr. Brownstone“ oder „Estranged“ hat er dafür alles gut im Griff. Eine ambivalente Angelegenheit mit leicht positivem Gesamtausschlag.
Bald live in Wien
Eine mehr als drei Stunden lange Setlist hat natürlich ihre Längen und der Sound hat sich an verschiedenen Stellen im Stadion sehr unterschiedlich angefühlt, alles in allem war die Konzertpremiere der Allianz-Arena aber eine mehr als gelungene. Guns N‘ Roses selbst können ohnehin nicht groß überraschen. Man variiert zwar galant von Abend zu Abend die Nummern, die jeweiligen Rollen, Bewegungen und indirekten Kommunikationen sind aber nach mehreren großen Welttourneen so perfektioniert worden und ineinander übergegangen, dass man sich einfach gerne mit den Rollen abfindet und ein Stück der guten alten Zeit gewahr macht. Rose verzichtet heuer auch auf Junghalte-Accessoires wie Bandana oder verkehrte Base-Caps und lässt sich als konditionell fitter Frontmann auf seine 60er ein. Rock’n’Roll ohne Neuerfindung, aber mit Spielspaß und unsterblichen Hits. Am 24. Juli spielen Guns N‘ Roses dann ihr „Krone“-Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion - mit Wolfmother und den Sex Pistols als Vorbands. Unter www.oeticket.com gibt es auch noch Karten. Hoffen wir, dass Axls Stimme einen guten Tag erwischt.
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