„Luftkampf“ über Adria

Heer will ihn kaufen: „Krone“ flog mit M-346-Jet

Österreich
22.06.2025 09:00

Fünf Kilometer über dem Mittelmeer fast überschallschnell in den Sitz gepresst werden: Als einzige Zeitung Österreichs konnte die „Krone“ bei einer Luftkampfübung im Cockpit einer M-346 dabei sein – die auch bald für das Bundesheer fliegen soll.  

Ein kurzes Knacken am Bordfunk, da ertönt erstmals die Stimme von Antonio Perrone im Helm. Der 41-jährige Italiener sitzt im vorderen Cockpit der M-346T, ich erhöht im hinteren. Wir tragen fest anliegende Anti-G-Anzüge, die sich in engen Kurven mit Luft füllen und das Blut in der oberen Körperhälfte halten. Am Helm eine Gesichtsmaske, aus der wir bereits am Boden Sauerstoff atmen. „Unsere Mission heute lautet Luftkampf, zwei Gute gegen einen Bösen“, sagt Perrone, während er die Triebwerke anwirft. „Und wir sind dabei der Böse.“

Im engen Formationsflug über Sardinien mit knapp 500 km/h.
Im engen Formationsflug über Sardinien mit knapp 500 km/h.(Bild: Paul Tikal)

Der Italiener löst die Bremsen, wir rollen los. Über dem Mittelmeer, so erfahre ich, werden wir ein aggressiv manövrierendes Feindflugzeug für zwei spanische Kampfpiloten in Ausbildung simulieren. Unser Rufzeichen lautet „Python 3“, eine Stunde lang dauert der Flug, davon sind etwa 35 Minuten Kurvenkampf, aufgeteilt auf sechs Angriffe, geplant. In den drei beteiligten Jets sitzen außerdem noch ein Fluglehrer der deutschen Luftwaffe, ein Franzose, der Italiener Perrone vor mir und ich. Ein babylonisches Sprachgemisch am Funk, halb Europa bildet hier an der International Flight Training School auf Sardinien seine Kampfpiloten aus. Auch Österreich: Seit Jahren kaufen wir hier teure Ausbildungsstunden auf italienischen Jets zu, um unsere Piloten auf den Eurofighter vorzubereiten. Das soll sich ändern. 12 Stück der M-346 sind in den nächsten Jahren für Linz-Hörsching vorgesehen, die Ausbildung soll wieder zurück ins Land geholt werden.

Kurz vor dem Losrollen: am vorderen Schleudersitz Pilot Perrone, hinten die „Kronen Zeitung“.
Kurz vor dem Losrollen: am vorderen Schleudersitz Pilot Perrone, hinten die „Kronen Zeitung“.(Bild: Aeronautica Militare / Angelo Grande)

Perrone senkt die Klappen an den Tragflächen des rund sieben Tonnen schweren Jets in die Startposition und rollt auf die drei Kilometer lange Startbahn 17L. Neben meinem rechten Knie lege ich einen weißen Sicherungshebel um, auf dem jetzt in schwarz-gelber Alarmfarbe das Wort „armed“ erscheint. Damit ist der Schleudersitz scharf. Wir stehen in den Bremsen, während Perrone die Triebwerke auf volle Leistung bringt. Plötzlich nehmen wir Fahrt auf. Die Beschleunigung ist immens. Wir werden in den Sitz gedrückt. Zehn Sekunden später ist „Python 3“ in der Luft.

„Aufwärmen“ für die hohe Körperbelastung 
Die M-346, in der wir fliegen, ist ein italienisches Produkt, gebaut vom Hersteller Leonardo. Er beliefert das Bundesheer bereits mit dem Hubschrauber AW-169, Österreich will die Kooperation auf die Kampfjets ausweiten. Neben Deutschland zählt unser südlicher Nachbar zu unseren engsten Verbündeten in Verteidigungsfragen. Gemeinsame Übungen, gemeinsamer Know-how-Transfer – und eben gemeinsame Waffenbeschaffung. Das Verhältnis ist so gut, dass der neue Chef der italienischen Luftwaffe, Antonio Conserva, als ersten Gast gleich einmal seinen österreichischen Amtskollegen, Generalmajor Gerfried Promberger, empfing.

Mit knapp 6G in den Sitz gepresst: die Arme kann man kaum mehr heben, den Kopf nur mehr schwer ...
Mit knapp 6G in den Sitz gepresst: die Arme kann man kaum mehr heben, den Kopf nur mehr schwer in den Nacken legen, um nach anderen Flugzeugen Ausschau zu halten(Bild: Paul Tikal)

Fünf Kilometer über Sardinien steuern wir mit Westkurs auf das Trainingsgebiet vor der Küste der Insel zu. Zivile Flugzeuge sind hier nicht erlaubt. Auf dem Weg wärmen wir uns auf: eine Steilkurve nach links mit vierfacher Erdbeschleunigung, danach eine Steilkurve nach rechts mit knapp siebenfacher Erdbeschleunigung. Das Manöver dient der Sicherheit: Wem bei diesen Aufwärmkurven schwarz vor den Augen wird, der muss abbrechen. Auch gut konditionierte Piloten haben einmal schlechte Tage, an denen der Kreislauf nicht mitspielt. Wir fliegen weiter auf die beiden Spanier zu, die bereits über dem Mittelmeer auf uns lauern.

Offenlegung

Der Flug fand auf Einladung der italienischen Luftstreitkräfte statt und war Teil der regulären Kampfpiloten-Ausbildung auf Sardinien. Die Reisekosten trug die „Kronen Zeitung“. Redakteur Paul Tikal, selbst Pilot, ist einer von wenigen Dutzend Menschen weltweit, die sowohl die M-346 des Herstellers Leonardo als auch ihr tschechisches Konkurrenzprodukt, die L-39NG von Aero Vodochody, geflogen sind.

In rund 15 Meilen Entfernung zeigt der mittlere von drei Bildschirmen vor mir plötzlich zwei Punkte. Mit freiem Auge ist am Horizont nur hellblauer Himmel über dunkelblauem Meer zu erkennen, doch wir nähern uns mit rund 1300 Kilometern pro Stunde den beiden gegnerischen Fliegern an, die uns entgegenkommen. Nach wenigen Sekunden sind die Spanier in Sichtweite. „Merged“, höre ich den deutschen Instruktor am Funk, was so viel bedeutet wie „zusammengeschmolzen“: Sein Jet und unserer haben von nun an Sichtkontakt und verbeißen sich ineinander. Beide reißen die Querruder nach links und steigen in einen brutalen Kurvenkampf ein.

Computerstimme meldet: Wir sind getroffen
Die Fliehkräfte, die dabei auf den menschlichen Körper wirken, sind atemberaubend im engsten Sinne des Wortes. Bei 6G Erdbeschleunigung lastet das Sechsfache des eigenen Gewichts am Körper. Für wenige Augenblicke ist das gut zu ertragen. Doch wenn eine halbe Minute lang Hunderte Kilogramm auf einem lasten, wird es schweißtreibend. Oberschenkel, Bauchmuskulatur und Hintern sind permanent angespannt, um das Blut am Absacken zu hindern. Geatmet wird nach einiger Zeit nur mehr mit Pressatmung, damit frischer Sauerstoff ins Hirn gelangt. Plötzlich ertönt eine Computerstimme. „Hit. Hit.“ Wir sind soeben getroffen worden. Nicht von dem Jet, in den wir uns in der Luft verkeilt hatten. Sondern von dem dritten Flieger, der unbemerkt über uns gestiegen war und uns simuliert abgeschossen hatte. Wir stabilisieren uns und fliegen für kurze Zeit geradeaus. „Die gute Nachricht: Der erste Durchgang ist vorbei“, sagt Perrone, als auch er kurz durchatmet. „Die schlechte: Es kommen noch weitere fünf.“

Weil Österreich mit seinen geplanten M-346 nicht nur Flugschüler ausbilden, sondern auch den Luftraum überwachen, aufklären und die Landstreitkräfte unterstützen will, bestellt das Bundesheer voraussichtlich die FA-Variante: Sie hat ein modernes Radar an Bord und als Block-20-Version ein durchgängiges Display im Cockpit. Das hat seinen Preis: Für das Gesamtpaket mit Ausbildungsstunden, Wartungspaket, Simulatoren und Waffen rechnet das Verteidigungsministerium mit Investitionen von rund 1,1 Milliarden Euro. Die Flugzeuge selbst werden dabei pro Stück rund 39 Millionen Euro kosten, der Deal soll rund um den Nationalfeiertag zustande kommen.

„Krone“-Redakteur Paul Tikal (li.) und Pilot Antonio Perrone nach dem schweißtreibenden Flug.
„Krone“-Redakteur Paul Tikal (li.) und Pilot Antonio Perrone nach dem schweißtreibenden Flug.(Bild: Aeronautica Militare / Angelo Grande)

Schweißtreibend: Piloten kämpfen um jeden Abschuss
Über der Küste tobt indes weiter der Luftkrieg. Mittlerweile setzt Ermüdung ein. Die starken Belastungen und die hohe Konzentration auf jeden einzelnen Funkspruch fordern ihren Tribut. Erneut werden wir abgeschossen, so steht es im Lehrplan, doch die Flugschüler müssen um jeden Treffer kämpfen. Schließlich der letzte „Knock it off“-Funkspruch des Leitpiloten, das Kommando zum Übungsabbruch. In enger Formation geht es zurück, dabei inspizieren die Piloten aus nächster Nähe gegenseitig ihre Flugzeuge. „Battle damage assessment“ nennen sie das, also eine Sichtkontrolle von außen, ob eines der Flugzeuge durch die hohen Kräfte Schaden genommen hat. Kurz darauf setzen wir im

Nachbesprechung am Boden: Perrone (li.) erklärt, worauf es bei dem Flug angekommen ist.
Nachbesprechung am Boden: Perrone (li.) erklärt, worauf es bei dem Flug angekommen ist.(Bild: Aeronautica Militare / Angelo Grande)

20-Sekunden-Abstand auf der Landebahn auf. Am Boden bereiten sich derweil schon die nächsten Schüler auf ihren Flug vor: Christoph, 23, und Hartwig, 26, zwei junge Bundesheer-Soldaten. Auch sie lernen am Weg ins Eurofighter-Cockpit ihr Handwerk in den schnellen, wendigen M-346. Vorerst noch in Italien.

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