Ein Fall aus einem Pflegeheim in Wiener Neustadt (NÖ) sorgt für Empörung: Die Todesfeststellung erfolgte rein digital – ohne EKG, ohne Arzt vor Ort. Bestatter und Pflegepersonal schlagen Alarm: Der würdige Abschied bleibt auf der Strecke, das Gesetz wird ignoriert.
„Das ist kein würdevoller Abschied, das ist ein gesundheitspolitischer Totalausfall!“ Mit scharfen Worten schlägt Jörg Bauer, Gründer der Lichtblick Bestattung, im Gespräch mit der „Krone“ Alarm. Was sich vor rund drei Wochen in einem Pflegeheim in Wiener Neustadt abspielte, schockiert Angehörige, Pflegekräfte und Bestatter gleichermaßen: Ein Todesfall wurde „online festgestellt”, obwohl kein einziger Arzt vor Ort war.
Todesfeststellung per Webcam? Willkommen im digitalen Jenseits!
Im konkreten Fall wurde die Bestattung am Samstag zur Abholung gerufen. Alles schien geregelt, der männliche Leichnam angeblich freigegeben. Doch vor Ort dann der Schock: keine gesetzlich gültige Freigabe, kein Arzt, kein EKG. Stattdessen: Ein kurzer Videoanruf mit einem sogenannten „Telenotarzt“ – der aus der Ferne diagnostiziert: tot.
„Das ist doch absurd“, sagt eine entsetzte Diplomkrankenschwester, die miterlebte, wie die gesetzlich vorgeschriebene Checkliste – darunter EKG und Vitalzeichenkontrolle – kurzerhand ignoriert wurde. „Wir haben nicht einmal ein EKG-Gerät im Haus – und der Arzt zuckt mit den Achseln.“ In Niederösterreich klafft, laut Bauer, speziell an Wochenenden regelmäßig eine erschreckende Lücke in der Versorgung: Notärzte nicht im Dienst, Leichenschauärzte nicht auffindbar.
Ohne EKG, Arzt nur über Video zugeschaltet – demnächst sollten wir in Niederösterreich lieber wieder die Totenglocke einführen. Da kann dann jeder vielleicht doch nicht Verstorbene melden, ob er jetzt wirklich tot ist.
Jörg Bauer,
Bild: https://lichtblick.rip
Das Ergebnis? Verstorbene werden vorzeitig abgeholt, oft in Pflegeheimen ohne Kühlmöglichkeiten, und dann tagelang in Leichenhallen zwischengelagert – ohne dass eine ordentliche Totenbeschau stattgefunden hat. Im konkreten Fall aus Wiener Neustadt wurde der verstorbene Pensionist schlussendlich erst am Montag abgeholt.
Rechtsfreier Raum statt Leichenschau? – Notruf wehrt sich
„Das ist nicht nur pietätlos, das ist rechtswidrig“, kritisiert Jörg Bauer. „Österreich ist ein hoch entwickeltes Land. Dass wir es nicht schaffen, auch am Wochenende eine ordentliche Todesfeststellung sicherzustellen, ist ein Armutszeugnis!“
Der Bestatter erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Behörden und fordert eine sofortige Reform des sogenannten Leichenschauwesens: „Wir brauchen wieder echte Ärzte vor Ort – nicht Telemedizin ohne Herzschlag!“ Denn der letzte Weg eines Menschen verdient immerhin Respekt und nicht ein Schulterzucken aus dem Callcenter, das ruft naturgemäß auch die Experten von Notruf Niederösterreich auf den Plan.
Nach einer Anfrage der „Krone“ zeigt man sich dort über die Vorwürfe schockiert: „Es ist nicht korrekt, dass es keinen Arztkontakt gibt. Der Arzt wird, nach Abarbeitung einer Checkliste durch diplomiertes Pflegepersonal vor Ort zur Dokumentation sicherer Todeszeichen über Video zugeschaltet. Es stellt also immer noch ein Arzt oder eine Ärztin den Tod fest. Die Videozuschaltung ersetzt lediglich die physische Anwesenheit eines Arztes. Die Feststellung bleibt dadurch erhalten“, heißt es.
Die Bestattungsinnung soll den Einsatzkräften übrigens mehrfach mitgeteilt haben, dass alle Bestattungsunternehmen sehr gute Erfahrungen mit diesem System gemacht hätten, und auch von den Palliativteams und den Pflegeheimen gäbe es ausschließlich positives Feedback ...
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