"Blutiges Fasten"

Irak: Ramadan in Zeiten des Bombenterrors

Ausland
18.07.2013 22:40
Eine beliebte Ramadan-Serie entführt die Iraker abends in eine andere Welt. Das Drama "Syrischer Mond" erzählt im islamischen Fastenmonat derzeit die Geschichte eines Geschwisterpaars, das trotz Schicksalsschlägen und eines bösen Nachbarn an seinen guten Taten festhält. Es sind Handlungen, denen man leicht folgen kann, und am Ende siegt in den meisten Fällen das Gute. Den Menschen im Irak bietet das eine willkommene Ablenkung zum alltäglichen Bombenterror, der auch im Ramadan andauert.

Der Ramadan gilt im Islam als besonders heilige Zeit: Tagsüber wird gefastet und gebetet, abends gemeinsam gegessen. Dennoch setzen irakische Extremisten ihre Anschlagsserie unvermindert fort und nehmen immer wieder Muslime beim abendlichen Fastenbrechen ins Visier: Am Mittwoch etwa explodierte ein Sprengsatz in einem Café in der nördlichen Stadt Mossul, wo drei Menschen starben. Vor einer Woche kamen bei einem Selbstmordanschlag auf ein Café in Kirkuk sogar fast 40 Menschen ums Leben.

Der nun ausgeschiedene Leiter der UN-Mission im Irak, Martin Kobler, sprach in seinem jüngsten Bericht vor dem Weltsicherheitsrat von einer besorgniserregenden Lage und rund 3.000 Toten seit März. Dies seien die blutigsten vier Monate in dem arabischen Land seit 2008 gewesen, resümierte er.

Leute bleiben aus Angst meist zu Hause
Doch obwohl die Lage derzeit sehr gefährlich ist, so ist sie noch besser als nach dem Einmarsch der US-Truppen 2003 oder während der Unruhen 2007/2008, als im Land bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Iraker erinnern sich, dass damals niemand nach 18 Uhr aus dem Haus ging. Inzwischen werden Restaurants und Cafes trotz des Sicherheitsrisikos wieder bevölkert, auch wenn die meisten Iraker nach wie vor lieber mit traditionellen Speisen wie Dolma (gefülltes Gemüse) oder Samak Masguf (Fisch) zu Hause feiern. Öffentliche Essensausgaben für Arme gibt es aus Furcht vor Anschlägen nicht.

Alltagsprobleme verdrängen Todesangst oftmals ein wenig
Die Iraker haben gelernt, mit der Angst zu leben. Alltägliche Probleme, die es in dem ölreichen Land eigentlich gar nicht geben dürfte, rücken weiter in den Vordergrund - etwa der Ärger über gestiegene Lebensmittelpreise oder über die täglichen Stromausfälle. Auch die aktuelle Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius sorgt für Diskussionen, bis wieder neue, verheerende Bombenanschläge das Land erschüttern.

Es sind langjährige religiöse Konflikte und ein politischer Stillstand, den sich Extremisten zunutze machen: Viele sunnitische Muslime, die unter dem Regime des gestürzten Diktators Saddam Hussein zur Machtelite gehörten, fühlen sich heute benachteiligt und von dem schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki diskriminiert. Der Machtkampf zwischen beiden muslimischen Religionsgruppen brach nach Abzug der US-Truppen vor eineinhalb Jahren neu aus - begleitet von vielen Anschlägen, die vor allem dem sunnitischen Terrornetzwerk Al-Kaida zugeschrieben werden.

Zugleich wirkt sich der Konflikt im Nachbarland Syrien auch auf den Irak aus. Selbst ernannte irakische Gotteskrieger kämpfen dort bereits unter dem Namen "Islamischer Staat in Irak und Syrien" für eben dieses Ziel. Die Dschihadisten folgen der Ideologie der Al-Kaida, die ihnen eine Rechtfertigung für den Bombenterror selbst gegen Muslime im heiligen Fastenmonat gibt.

Als Vordenker der radikalen Islamisten gilt der Ägypter Sayyid Kutb - der aus der Muslimbruderschaft stammte und 1966 hingerichtet wurde. Laut seiner Kampfschrift "Meilensteine" befindet sich die Welt - auch die muslimische - im Zustand der Unwissenheit (Jahiliya) wie damals zur vorislamischen Zeit. Deshalb müssten die Muslime mit Gewalt hin zu einem gläubigeren Leben geführt werden, lautet die Schlussfolgerung Kutbs.

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