Alle gegen Erdogan

Türkei: Verfeindete Fußballfans stoßen geeint zu Protesten

Ausland
09.06.2013 15:28
Die Protestwelle gegen den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat am Samstagabend Zulauf von Zehntausenden Fußballfans erhalten. Auf dem Taksim-Platz in Istanbul und in den umliegenden Straßen versammelten sich seither noch mehr Menschen als an den Tagen davor, berichteten Augenzeugen. Dort störte auch die Rivalität der Klubs auf einmal nicht mehr.

Gemeinsam machten sie ihrem Ärger über Regierungschef Erdogan Luft und riefen zu weiteren Großkundgebungen auf. Wir erwarten alle Bürger, die ihre Rechte an ihrer Stadt, ihrem Gezi-Park und alle ihre Forderungen geltend machen wollen", hieß es in einer Presseerklärung. "Wir machen weiter, bis unsere Forderungen erfüllt sind."

Einsatzbedingungen trieben sechs Polizisten in den Selbstmord
Nicht nur von den Menschen am Taksim-Platz wird die Regierung Erdogans kritisiert, inzwischen kommen auch von der Polizeigewerkschaft Klagen. Denn die Einsatzbedingungen und die langen Dauereinsätze machen den Beamten zu schaffen. 

Sechs Polizisten hätten bereits Selbstmord begangen, zitierten türkische Medien am Sonntag Faruk Sezer, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Emniyet-Sen. Die Beamten seien zu 120-Stunden-Einsätzen auf den Straßen gezwungen worden - und da stoße jeder an seine Grenzen. Seine Gewerkschaft sammle bereits Material, um Gerichtsverfahren gegen den Dienstherrn anzustoßen. Die Gewalt gegen Demonstranten resultiere auch aus der Gewalt, die die Polizisten selbst erfahren, fügte Sezer abschließend noch hinzu. 

Bürgermeister beschwichtigt Parkschützer
Unterdessen signalisierte Istanbuls Bürgermeister den Kritikern des umstrittenen Bauprojekts im Herzen seiner Stadt teilweises Entgegenkommen. "Wir denken definitiv nicht über den Bau eines Einkaufszentrums nach, auch nicht über den eines Hotels oder Wohnblocks", versicherte Stadtoberhaupt Kadir Topbas. "Es könnte ein Stadtmuseum oder ein Ausstellungszentrum entstehen", fügte er hinzu. Am geplanten Bau eines Militärkomplexes auf der Fläche des Gezi-Parks hielt der Bürgermeister jedoch fest.

"Der Plan für die Kasernen war Teil unseres Wahlversprechens, und die Menschen haben uns die Legitimation dazu erteilt", sagte Topbas. Die endgültige Projektfestlegung werde jedoch "im Dialog" geschehen und könne durchaus auch "eine höhere Anzahl von Bäumen" umfassen. 

Die 600 Bäume des Gezi-Parks bilden die letzte Grünfläche im Zentrum der Millionenmetropole, weshalb sich eine Protestbewegung zu deren Schutz gebildet hatte. Deren gewaltsame Niederschlagung durch die Polizei löste landesweite Demonstrationen gegen die Regierung aus, bei denen drei Menschen getötet und Tausende verletzt wurden (siehe Infobox).

AKP wehrt sich gegen Neuwahlen
Die konservativ-islamische Partei AKP von Erdogan schloss - trotz der tagelangen Proteste - Neuwahlen aus. "Es gibt keinen Grund für vorgezogene Wahlen. Regierung, Parlament und Kabinett arbeiten wie ein Uhrwerk", sagte Parteisprecher Hüseyin Celik am Samstag in Istanbul nach einem Treffen der AKP-Spitze. Der Vorsitzende der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP, Devlet Bahceli, hatte zuvor Neuwahlen gefordert.

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