Mukopolysaccharidose (kurz MPS) bezeichnet eine Gruppe angeborener, langsam fortschreitender Stoffwechselkrankheiten. Aufgrund eines fehlenden Enzyms werden komplexe Zuckermoleküle nicht abgebaut, sammeln sich in schädlichen Mengen in den Zellen an und zerstören diese. Eine frühe Behandlung kann Lebenserwartung und Lebensqualität betroffener Kinder verbessern.
Mukopolysaccharide sind lange, auch verzweigte, Zuckerketten (Polysaccharide), die man überall im Körper findet. Sie sind ein wichtiger Bestandteil von Bindegewebe, sorgen zum Beispiel für die Festigkeit von Gewebe und Organen, den Wasserhaushalt und das Zusammenspiel der Zellen untereinander. Sie werden ständig neu gebildet und mithilfe von Enzymen zerlegt und wieder abgebaut. Dies ist ein komplexer Vorgang.
Bei MPS-Patienten fehlt eines dieser Enzyme, sodass der Abbau der Zuckerketten blockiert ist und sich unverdaute Reste von Material so lange anhäufen, bis die Zellen dadurch zerstört werden und die Organe ihre Funktion verlieren. Je nachdem, welches dieser elf Enzyme betroffen ist, können die Krankheitsbilder bei MPS sehr unterschiedlich sein.
Mukopolysaccharide bestehen aus Ketten von speziellen Zuckermolekülen. Sie sind wichtiger Bestandteil des Bindegewebes, kommen überall im Körper vor und spielen eine wichtige Rolle in der Steuerung von Zellfunktionen.
Die Zuckermoleküle werden ständig neu gebildet und in speziellen „Schrottplätzen“ (den Lysosomen) in den Zellen wieder abgebaut. Dazu sind spezielle „Schraubenschlüssel“ notwendig – die Enzyme.
Von einem Ende her werden die Kettenmoleküle Stück für Stück zerlegt. Jeder Baustein kann nur mit einem für ihn passenden Spezialschlüssel (= einem speziellen Enzym) freigesetzt werden. Elf verschiedene Enzyme sind notwendig, die jeweils nacheinander die Zuckerketten verkleinern, bis schließlich einfachste Bestandteile übrigbleiben, die durch die Zellmembran geschleust und dann vom Körper verwertet oder ausgeschieden werden.
Bei den Mukopolysaccharidosen ist durch einen erblichen Fehler ein Schlüssel kaputt (d.h. ein Enzym funktioniert nicht richtig). Der Abbau kommt zum Stillstand und die halb zerkleinerten Ketten bleiben in den Lysosomen der Zelle liegen.
Die Ansammlung der halb abgebauten Mokopolysaccharide führt zum Anschwellen der Lysosomen, zur Schädigung der Zellen und zu Veränderungen in jenen Organen, in denen die Mukopolysaccharide besonders wichtig sind: Gehirn, Leber, Milz, Haut und Skelett.
Die Symptome der verschiedenen MPS-Formen reichen von Knochenveränderungen über Funktionseinschränkungen innerer Organe wie Herz, Leber bis hin zu schweren Störungen des Gehirns. Manche Kinder werden blind, die meisten sind schwerhörig und kleinwüchsig. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines unbehandelten MPS-Kindes beträgt 15 Jahre.
Auch wenn MPS bis heute nicht heilbar ist, gibt es für einige Formen mittlerweile Therapien, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Die Wirksamkeit hängt von einem frühzeitigen Behandlungsbeginn ab. Denn bereits vorhandene Schäden lassen sich nicht mehr rückgängig machen.
Da sich die Kinder in den allerersten Lebensmonaten unauffällig entwickeln, bedarf es der Erfahrung eines geschulten Kinder- oder praktischen Arztes, um die frühen Symptome zu erkennen. Diese sind einzeln meist unspezifisch, aber in Kombination oft ein Hinweis auf diesen Gendefekt. Dazu zählen etwa ein relativ großer Kopf, ein kurzer Hals, verlangsamte Entwicklung, steife Fingergelenke, häufige Infekte, Mittelohrentzündungen sowie Leisten- und Nabelbrüche.
Unterschiedliche Krankheitsbilder
Manche Patienten zeigen typische Ansammlung von „Stoffwechselmüll“ in allen Organen, mit stark vergrößerter Leber und Milz, Herzwandverdickung sowie verdickter Haut und Schleimhaut. Andere wiederum weisen verformte Knochen, Kleinwuchs, schlaffe Sehnen und Bänder auf. Aber nicht immer sind körperliche Veränderungen ersichtlich.
Mitunter stehen Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund. Die Kinder gelten dann als „schwierig“, da sie sehr unruhig, rastlos, fast aggressiv sind, kaum sprechen oder sukzessive alle Fähigkeiten verlernen, die sie bereits erworben hatten. Sie werden später zunehmend apathischer, bis sie schließlich vollkommen bewegungsunfähig sind. Immer wieder dauert es Jahre, bis Patienten nach unzähligen Arztbesuchen endlich die richtige Diagnose bekommen.
Gemma MPS-Online Challenge der österreichischen MPS-Gesellschaft von 15. Mai (internationaler MPS-Tag) bis 15. Juni:
6815 Aminosäuren sind für die verschiedenen Typen der Stoffwechselerkrankung MPS verantwortlich. Und genau so viele Minuten in Bewegung sollen gesammelt werden (z.B. Spaziergang mit dem Hund, Tanzen, Volleyball, Radfahren etc.), egal ob allein, mit der Familie oder im Team. Außerdem ist ein großes Ziel des Selbsthilfevereins, Spenden in Höhe von 6.815 Euro zu sammeln.
Weitere Infos: Gesellschaft für Mukopolysaccharidosen
Tel: + 43-7249-47795, Mail: office@mps-austria.at
Spendenkonto: Erste Bank: AT89 2011 1847 2581 7800
Neue Therapien bringen Hoffnung
Für etwa die Hälfte der MPS-Formen gibt es inzwischen Therapien, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Wie Knochenmarktransplantationen, vor allem, wenn sie bis Ende des zweiten Lebensjahres erfolgen. Auch eine Enzymersatztherapie zeigt bei vielen Formen gute Wirkung. Dabei wird das fehlende Enzym künstlich in Zellkulturen hergestellt und dem Patienten in regelmäßigen Abständen mittels Infusionen zugeführt. Große Erwartung wird in die Gentherapien gesetzt, an der bereits intensiv geforscht wird, um die DNA so zu verändern, dass ein gesundes Enzym hergestellt wird.
Je nach Ausprägung der Erkrankung stehen auch eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um die Symptome zu verbessern. Dazu zählen etwa orthopädische oder neurologische Therapien sowie Unterstützung bei Augen oder HNO-Problemen.
Eine frühe Diagnose ist aber nicht nur wichtig, um bei dem betroffenen Kind rasch eine entsprechende Behandlung einleiten zu können. Da es sich bei MPS um eine vererbbare Stoffwechselkrankheit handelt, besteht ein wesentliches Risiko, dass auch zukünftige Geschwister betroffen sind.
Gendefekt ist vererbbar
Jeder Mensch ist Träger von Gendefekten, doch es ist nicht vorhersehbar, welche das sind und nicht immer muss es zu einer Erkrankung kommen. Mukopolysaccharidosen werden durch eine genetische Veränderung in den Chromosomen von gesunden Überträgern an die Kinder weitervererbt. Zu einer Erkrankung des Kindes kommt es in der Regel jedoch nur dann, wenn beide Elternteile denselben Defekt für dasselbe Enzym haben und diesen auch mit ihren Genen an das Kind weitergeben.
Haben Eltern fehlerhafte Gene für unterschiedliche Enzyme oder wird nur ein krankes Gen weitergegeben, dann sind die Kinder ebenso gesund, wie ihre Eltern. Es besteht dann jedoch ein gewisses Risiko, dass sie wiederum Überträger sind und selbst einmal ein MPS-Kind bekommen, wenn der Partner zufällig den gleichen Gendefekt in sich trägt.
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