Neues Album

Skid Row-Legende Sebastian Bach will es wissen

Musik
10.05.2024 13:00

Ganze zehn Jahre nach seinem letzten Studioalbum schwingt sich der einstige Skid Row-Frontmann Sebastian Bach auf seinem neuen Soloalbum „Child Within The Man“ zu karriereherbstlichen Höchstleistungen auf. Heraus kommt eine Hard-Rock-Nostalgieparade mit zeitgemäßer Produktion.

(Bild: kmm)

In den späten 80er-Jahren war die Welt eine diametral andere. Der Fall der Berliner Mauer und der Untergang der Sowjetunion wirkte verheißungsvoll auf ein friedliches und vereintes Europa, die Arbeitslosenquote im mitteleuropäischen Raum war mehr als überschaubar und wenn man sich unbedingt öffentlich beflegeln musste, dann passierte das von Antlitz zu Antlitz am Stammtisch und nicht hinter einer peripheren Anonymität in den sozialen Medien. Musikalisch war nicht alles besser, aber vieles anders. Bevor Kurt Cobain mit überweitem Flanellpulli, blondierten Haaren und frühem Rock-Feminismus eine Trendwende in Richtung Offenheit und Verletzlichkeit einleitete, regierten im dominierenden Stromgitarrensektor wilde Haarspray-Frisuren, offen zur Schau gestellte (und oft schon toxische) Männlichkeit und inoffizielle Wettbewerbe, welcher Sänger von welcher Hairmetal- oder Glamrock-Band sein Timbre in höhere Sphären wuchten kann.

Erfolg und Trennung
Neben Guns N‘ Roses-Mastermind Axl Rose glänzte hauptsächlich ein junger Bursche namens Sebastian Bierk, der sich für sein Künstler-Pseudonym früh beim legendären deutschen Klassikkomponisten bediente. Mit Sebastian Bach als „Schmalspur-Axl Rose“ (was natürlich Blödsinn war und ist) war die Working-Class-Band Skid Row für das gleichnamige Debütalbum (1989) und den Nachfolger „Slave To The Grind“ (1991) die Heavy-Metal-Version der Gunners. Nicht zuletzt dank Bach, der unvergessenen Songs wie „18 And Life“, „Youth Gone Wild“, „Monkey Business“ oder „I Remember You“ zum Legendenstatus verhalf. Das durchaus starke „Subhuman Race“ (1995) wurde Opfer veränderter Trends, Bach und seine Hauptband zerstritten sich erfolgreich und gehen seit knapp drei Dekaden getrennte Wege - mit doch unterschiedlichem Erfolg.

Skid Row versuchten sich über die Jahre an unzähligen Sängern und touren seit heuer vorübergehend mit Halestorm-Frontfrau Lzzy Hale. Die drei hageren Studioalben aus den letzten 27 Jahren fielen gelinde gesagt unterdurchschnittlich aus und die Bandchefs Dave „Snake“ Sabo und Rachel Bolan tun immer noch gut daran, auf Tour auf die Bach-Songs zu setzen. Derartige „30 Years Anniversary“-Shows spielte Bach auch solo, dazwischen reüssierte er auch mit eigenen Alben, wurde zu einem respektierten Star am Broadway und brachte es in „Gilmore Girls“ und Co. zu schauspielerischen Ehren. Diverse Reality-Shows oder sein Auftritt bei „The Masked Singer“ im Vorjahr fielen weniger rühmlich aus. Nach seinem sehr starken letzten Solowerk „Give ‘Em Hell“ ließ Bach aufgrund seiner vielen Verpflichtungen ein ganzes Jahrzehnt verstreichen, bis es ihn wieder nach Musik gelüstet hat.

Im Telefonbuch geblättert
Der Überraschungseffekt auf seinem fünften Solowerk „Child Within The Man“ ist freilich überschaubar, denn die Stärken Bachs sind bekannt. Seine beeindruckende, über mehrere Tonhöhen gehende Gesangsstimme wird bis aufs Letzte ausgereizt, eine rundum erneuerte Instrumentaltruppe dient dem 56-jährigen Schönling mit der brünetten Mähne als professionelle Angestelltenproduktion und wenn es – in diesen Kreisen mehr als üblich – wieder einmal ein bisschen Richtung Namedropping gehen soll, blättert der Frontmann in seinem vergilbten Analog-Telefonbuch und ruft kreativ-pfundige Freunde zu Hilfe. Man darf sich bei „Freedom“ auf die Gitarre von John 5 (mittlerweile bei Mötley Crüe) freuen, Billy Idol-Freund und Gitarrist Steve Stevens‘ Axt in „F.U.“ lauschen oder – schließlich befinden wir uns nicht mehr in den Macho-80ern – der famosen Orianthi bei ihrem Spiel auf „Future Of Youth“ ein Ohr leihen.

Von den feurigen Promofotos über die dicke Kompositionshose bis hin zur offen zur Schau gestellten Huldigung an die guten alten Tage der Rockmusik schreit auf „Child Within The Man“ alles nach einer peinlichen Retroshow, doch wer so wertet, urteilt vorschnell und gibt dem Album zu wenig Zeit. Songs wie das harte „(Hold On) To The Dream“ oder der kantige Opener „Everybody Bleeds“ hätten vor 35 Jahren noch für Stadionjubel gesorgt und locken heute nur deshalb so wenige Menschen hinterm Ofen hervor, weil sich Zeit und Trends fundamental verändert haben. Über die das Album beschließende Power-Ballade „To Live Again“ mögen pseudocoole Hipster verächtlich schmunzeln, doch die kompositorische Qualität und das offen zur Schau gestellte Herzblut nötigen allerhöchsten Respekt ab. Unter der Produktion von Genre-Größe „Elvis“ Baskette befand sich Bach erstmals in seinem Leben mit seiner ganzen Band für eine Zeit lang unter einem Dach auf Klausur, was als Grundidee durchaus aufging. Das gegenseitige Hin- und Herjonglieren von Ideen und die Gemeinschaft spürt man zu jeder Sekunde.

Stehen die Sterne gut?
Dass Bach mittlerweile in den USA zu einer Reality-Show-Figur mutiert ist, wird seiner musikalischen Vita nicht gerecht. Ein Album wie „Child Within The Man“ wäre zwar auch in den 80er-Jahren kein „Appetite For Destruction“ gewesen, hätte aber so einigen Szenegrößen von damals mühelos Paroli bieten können. Zudem gibt es von Bach auch optisch etwas fürs Herz. Auf dem kindlich anmutenden Cover-Artwork hat er zwei Zeichnungen seines verstorbenen Vaters David Bierk verknüpft, der sich bereits kundig auf den alten Skid Row-Alben verewigte. Das titelspendende „Kind im Manne“, das im Rock’n’Roll unerlässlich ist, lässt auf diesem Werk jedenfalls eine Frische verspüren, die Genrekollegen so schon seit Jahren nicht mehr auf die Reihe kriegen (man kämpfe sich etwa durch die neue Mötley Crüe-Single …). Und wer weiß – vielleicht wird es ja im Herbst der Karriere doch noch was mit der Wiedervereinigung von Bach und Skid Row. Die Sterne standen dafür schon einmal schlechter.

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