Zahnloser Gemeinderat

300.000 Euro teure Kameras landeten im Sperrmüll

Tirol
14.03.2024 13:09

Vier Jahre lang überwachten 27 Videokameras die Innsbrucker Innenstadt. Doch wozu? Was war der Nutzen? Das Erschütternde daran: 39 von 40 Gemeinderäten stellten keine einzige kritische Frage.

Ressortzuständig war der damalige Vize-BM Johannes Anzengruber. In der Gemeinderatssitzung von November 2020 stellte er das Projekt im Gemeinderat vor: Beim Fischvergnügen sei im Sommer 2020 das System getestet worden. „Wir machten sehr gute Erfahrungen damit“, sagt Anzengruber. Welche konkret, sagte er aber nicht.

Vage Hoffnung auf Weihnachtsmärkte in Corona-Zeit
Dann sei das System auch im Bereich der Maria-Theresien-Straße installiert worden. „Auch dort funktionierte es sehr gut.“ Was das heißt, blieb im Dunkeln. „Aufgrund der Erkenntnisse dieser Pilotierungen wurde das System gemeinsam mit der IKB, der Swarm Analytics und einem zusätzlichen Marketingpartner in Kooperation mit den Veranstaltern und der Innsbruck Marketing GmbH verfeinert, verbessert und optimiert. Dies als Vorbereitung für die Abhaltung der Weihnachtsmärkte“, sagte Anzengruber.

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Wir können besser steuern und analysieren und den Wirtschaftsstandort Innsbruck für die Zukunft vorbereiten.

Vize-BM a. D. Hannes Anzengruber

Wer steuert, wer analysiert?
Das System sei mehr als eine Besucherstromanalyse: „Bei den Märkten sieht man durch ein virtuelles Drehkreuz, wie viele Personen eintreten. Bilddaten werden nicht gespeichert. Durch dieses System bekommen wir die Möglichkeit des Steuerns und der Analyse.“ Doch wer steuert und wer analysiert, blieb ungeklärt.

Was geschah mit den Daten?
Es könne modular an verschiedenen Standorten installiert werden, sagte Anzengruber: Man erspare sich dadurch manuelle Zählungen, „wir können besser steuern und analysieren und den Wirtschaftsstandort Innsbruck für die Zukunft vorbereiten“: Indem die Zahl der Passanten in Statistiken erfasst und in einem stillen Kämmerlein des Stadtmarketings, der Wirtschaftskammer, des Tourismusverbands oder des Innenstadtvereins ausgewertet wurden?

Oder griff dann jemand zum Hörer, um die Polizei anzurufen, auf dass sie Menschenansammlungen in der Altstadt verhindere?

Der Datenkrake blieb zurück
Die Bundesregierung verhängte im Herbst 2020 den dritten Lockdown. Dieser ging, aber der mittlerweile um satte 300.000 Euro installierte Datenkrake blieb. Bis zum Feber 2024: Da landeten die ach so nützlichen Kameras plötzlich auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Mit 39:1 durchgewunken
Auf der Suche nach Sinn und Zweck gibt das Gemeinderatsprotokoll nur bedingt Aufschluss. Denn kein einziger der 40 Gemeinderäte hinterfragte die Aktion. Nicht einmal Grüne und Neos, denen der Datenschutz heilig ist. Dagegen stimmte nur ALI-GR Mesut Onay.

Kommentar: So darf es künftig nicht mehr laufen
Keine kritischen Fragen zum Datenschutz, zur Auswertung, zur Sicherheit: Der Beschluss zur Umsetzung einer „Besucherzählung“ in der Altstadt im Innsbrucker Gemeinderat im Herbst 2020 ist ein Lehrbeispiel dafür, wie es nicht gehen darf. Da wird in Windeseile in der gesamten Innenstadt eine videobasierte Besucherstrom-Analyse installiert, ohne die Minimalst-Anforderungen hinsichtlich Datenschutz einzuhalten.

Man befand es nicht einmal für nötig, ein Hinweisschild zu installieren, sondern gab sich mit sinnbefreiten Wortspenden des Ressortzuständigen zufrieden. Entweder die Sache war in den Ausschüssen fix und fertig ausgepackelt, Versorgung einer Innsbrucker Firma inklusive, oder die Gemeinderäte agierten in einem Zustand vollkommener Gleichgültigkeit. Beides darf nicht vorkommen. Tragisch, dass die Anlage vier Jahre in Betrieb war und keiner weiß, was mit den Daten letztlich passiert ist.

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