Radakovics-Maier:

„Die Botschaft ist, achtsam mit Worten umzugehen“

19.02.2024 08:35

Die Texte der Lyrikerin Rose Ausländer, in welchen immer auch die Hoffnung stark betont wird, haben die Vorarlberger Sängerin und Chorleiterin Michaela Radakovics-Maier stark berührt.

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Eine Eingebung war es, welche die Chorleiterin und Sängerin Michaela Radakovics-Maier aus Nüziders zu Rose Ausländer führte. „Sing ihre Gedichte“, tönte es in ihrem Inneren. Sie hatte zwar von der jüdischen Lyrikerin gehört, aber plötzlich war da dieser Auftrag, der sie nicht mehr loslassen sollte.

„Krone“: Michaela, was fasziniert Sie an den Gedichten von Rose Ausländer so?
Michaela Radakovics-Maier: Als ich mich mit ihren Texten auseinandergesetzt habe, war ich tief berührt. In meiner Arbeit kommt der Kraft der Worte große Bedeutung zu. Rose Ausländers Gedichte sind so wesentlich und allgemeingültig, dass ich fasziniert war und ich sie singen wollte.

Die Jüdin Rose Ausländer ist 1901 in Czernowitz, in der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie geboren, und hat zwei Weltkriege überlebt. Ihre Gedichte sind dennoch sehr hoffnungsvoll.
Trotz all der Gräuel, die sie miterlebt hat, sagte sie: „Ich habe gerne gelebt.“ Sie hatte die Gabe, das eigentlich Unsagbare in Worten auszudrücken. Die Wahrheit beim Namen zu nennen. Keine Anklage, keine Anschuldigung. Es schimmert immer diese Hoffnung durch, obwohl es viele Momente in ihrem Leben gab, in der sie keine mehr hatte. Das zeugt von einer unglaublichen Stärke als Mensch, als Frau. Das macht sie für mich so einzigartig.

Aus der Vielzahl von Rose Ausländers Texten haben Sie 30 Gedichte ausgewählt, die Rechte daran erworben und sie vertont. Die Konzerte tragen den Namen „Hoffnung“.
Viele Menschen haben heute die Hoffnung verloren. Deswegen habe ich mich entschieden, den dramatischen Gedichten nicht so viel Raum zu geben. Wir werden über ihre Geschichte berichten, aber nicht stehen bleiben, sondern weitergehen und etwas Positives daraus machen - genau dafür ist sie ein sagenhaftes Vorbild. Mit wenigen Worten viel auszudrücken, ist eine große Kunst - und diese hat Rose Ausländer beherrscht.

Was bedeutet Kunst für Sie?
Mein Anspruch an Kunst ist es, die Seele zu berühren. Wenn mir das gelingt, bin ich glücklich! Ich bin in der Musik daheim, daher ist sie mein Ausdrucksmittel. Und nachdem Worte eine unglaubliche Kraft haben, ist die Steigerung davon, dass sie gesungen werden. Die große Botschaft ist für mich, achtsam mit Worten umzugehen.

Warum ist das so wichtig?
Jedes Wort, das wir denken und sprechen, hat eine Kraft und eine Konsequenz - für mich persönlich als Mensch, aber auch für die Gesellschaft und die Welt. Und ich glaube, die Gesellschaft ist sich dem zu wenig bewusst. Das trifft auf jeden zu, ganz massiv aber auf die Medien. Denn das geschriebene Wort ist noch stärker. Viele Menschen leiden unter diesem Destruktivismus, der bei vielen Berichten und Artikeln mitschwingt. Darum möchte ich diese hoffnungsvollen Gedichte in die Öffentlichkeit bringen und die Menschen damit berühren.

Sie waren Chorleiterin, dann folgte eine zehnjährige Schaffenspause. Nun sind sie wieder sehr aktiv.
Vor einem Jahr wurde ich wieder angefragt und die Ideen sind erwacht. Ich habe Jazzunterricht bei Aja Zischg genommen und mir damit einen musikalischen Wunsch erfüllt. Ich verfolgte danach mehrere musikalische Projekte in diversen Genres, was mir sehr viel Freude bereitet hat. Dann kam die Eingebung von Rose Ausländers Gedichten.

Wie kann man unter „Eingebung“ verstehen?
Ich sehe den Menschen als Trias von Körper, Geist und Seele. Neben der intellektuellen Bildung, die sehr wichtig ist, gehört auch eine Schulung des Herzens und des Geistes dazu. Und da zähle ich die Intuition dazu, die eine großartige Gabe ist. Weil sie uns sehr viel mehr Weisheit schenken kann, als es der Intellekt vermag. Ich war immer schon sehr spontan. Entscheidungen, die ich lange im Kopf herumwälzte, entpuppten sich als ineffektiv, enttäuschend oder frustrierend. Bin ich aber meinem spontanen „Geistesblitz“ gefolgt, habe also intuitiv gehandelt, empfand ich es später als beglückend und kostbar. Dadurch habe ich mich intensiver damit beschäftigt.

Zur Person

Michaela Radakovics-Maier stammt aus Baden bei Wien und lebt seit 1992 in ihrer Wahlheimat Vorarlberg. Bis 2016 hatte sie eine ganzheitliche Praxis für Physiotherapie in Bludenz, aus der sich ihre heutige „Bewusstseinsarbeit“entwickelt hat. Radakovics-Maier machte eine Ausbildung zur Chorleiterin am Konservatorium Feldkirch. Nach einer langen Schaffenspause ist sie musikalisch wieder sehr aktiv - aktuell mit ihren Konzerten rund um Rose Ausländer.

Angeblich hat ja jeder Mensch eine gewisse Intuition bzw. ein Bauchgefühl, wie man es auch nennen könnte.
Wir haben alle diese erhellenden Momente, aber wenn es rundherum laut ist, dann hören wir die Botschaften nicht. Es braucht einen stillen und wachen Geist dafür, den ich in den vergangenen Jahren sehr geschult habe. In meiner Bewusstseinsarbeit wiederum schule ich Menschen darin, wieder zurück zu ihrer Intuition zu finden. Es geht darum, über den Intellekt hinauszugehen, ohne ihn zu verlieren. Wenn wir bewusst leben - das ist meine tiefe Überzeugung -, dann ist ein friedlicheres Zusammenleben möglich.

Ist dieses Bewusstsein bereits gewachsen?
Wir leben in einer Zeit, die diesen Bewusstseinswandel sehr fördert und fordert, weil wir mit vielen Informationen geflutet werden und herausfiltern müssen, was wirklich unserer Wahrheit entspricht.

HOFFNUNG - Rose Ausländer Gedichte in Klang und Wort: Samstag, 24.2., 19.30 Uhr und Sonntag, 25.2., 17 Uhr, Remise Bludenz; Eintritt: 24 Euro