Experten unterstützen jetzt die Proteste gegen die geplante Ostumfahrung von Wiener Neustadt: „Die Straße ist vollkommen überdimensioniert!“ Gegner orten ebenso einen Scheinklimaschutz.
Lokalaugenschein in Lichtenwörth – auf dem Feld, wo demnächst eine Schneise zwischen 70 und 100 Metern Breite für die Trasse der Wiener Neustädter Ostumfahrung geschlagen werden soll. Mitten durch ein Natura-2000-Schutzgebiet. Seit kurzem steht ein Baumhaus als sichtbares Zeichen der Protestwelle gegen das Vorhaben an jener Stelle, wo in Zukunft eine 11,5 Meter hohe Brücke über die Au führen wird.
Alle Bäume sollen hier gefällt, die Natur gerodet werden. Tiere wie die Rotbauchunke werden ihres Lebensraumes beraubt, Bauern ihrer fruchtbaren Böden enteignet und wertvoller Lebensraum zerstört, befürchten die Gegner des umstrittenen Straßenbauprojekts.
Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) erwartet sich durch diesen 4,8 Kilometer langen Abschluss des Straßenrings um die Stadt zwischen der S-4-Abfahrt an der Neudörfler Straße und der Anbindung an die B 21b beziehungsweise B…60/Pottendorfer Straße eine „Entlastung der Projektgemeinden, eine bessere Erreichbarkeit des künftigen Landesklinikums und die Möglichkeit einer kompletten Umgestaltung der Grazer Straße“.
Spezialisten teilen Sorgen
Doch die Proteste der Umweltaktivisten gegen dieses – wie sie argumentieren – „aus der Zeit gefallene Projekt“ lassen nicht nach. Im Gegenteil. Am Samstag holte man sich Verstärkung von namhaften Spezialisten. Und auch sie warnen unisono von den Folgen dieser Ostumfahrung. Günter Emberger, Leiter des Forschungsbereichs Verkehrsplanung und -technik der Technischen Universität Wien zeigt sich erschüttert darüber, wie die Trasse verläuft.
„Die Straße ist vollkommen überdimensioniert. Der Fußgänger- und Radverkehr sowie die Öffis müssen in der Verkehrsplanung mitberücksichtigt werden, nicht nur die Autofahrer“, kritisiert der Verkehrsplaner. Die Autoabhängigkeit werde mit diesem Projekt nur noch mehr „einzementiert“. Auch Franz Essl, Biodiversitätsforscher der Universität Wien, ist der Meinung, dass die Entscheidung, diese Straße zu bauen, korrigiert gehört.
„Lebensgrundlage stirbt weg“
„Ich finde es traurig, dass für Straßenbau und -erhaltung 30-mal mehr ausgegeben wird als für den Naturschutz“, so der Wissenschafter des Jahres 2022. Reinhard Steurer kritisiert vor allem die „Politik des Scheinklimaschutzes“: „So tun, als ob wir eh alles ernst nehmen, aber ein Projekt geht schon noch“, klagt der Klimapolitikexperte der BOKU Wien die Vorgehensweise vieler Politiker. Trauriger Nachsatz von Steurer: „Bald stirbt uns die Lebensgrundlage weg!“
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