Wiener Studie

Klimawandel rafft alpine Pflanzen langsam dahin

Wissenschaft
07.05.2012 11:12
Noch sind Berg-Ringdistel (Bild), Moränen-Klee (Bild 2) und Alpen-Mannsschild (Bild 3) im Hochgebirge zu finden. Doch rund 40 Prozent der Hochgebirgspflanzen werden in Zukunft auf klimatische Bedingungen stoßen, die ihnen das Überleben unmöglich machen. Auch wenn bis zu ihrem Verschwinden Jahrzehnte vergehen könnten, sind viele dem Untergang geweiht, wie Wiener Wissenschaftler in einer neuen Modellierungsstudie herausgefunden haben.

Bisher eingesetzte Modelle zur Simulation der Auswirkungen des Klimawandels auf Pflanzen gehen von einer Verschiebung der Verbreitungsgrenzen von Pflanzenarten in Richtung der Pole bzw. in höhere Lagen der Gebirge aus. Dabei werden aber die in solchen Übergangszeiten entstehenden Dynamiken von Wanderungsprozessen zumeist völlig ignoriert, betonte Karl Hülber vom Wiener Institut für Naturschutzforschung und Ökologie (VINCA).

Hülber hat nun gemeinsam mit Stefan Dullinger vom Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie der Uni Wien und internationalen Kollegen ein neues Modell entwickelt, das realistischere Prognosen erlaubt, weil es diese Dynamiken detailliert abbildet. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" veröffentlicht.

"Aussterbe-Verzögerung" bisher nicht berücksichtigt
Ausgehend von der heutigen Verbreitung haben die Forscher basierend auf prognostizierten Klimaänderungen die Arealveränderungen von 150 Gebirgspflanzenarten berechnet. Dabei zeigte sich, dass diese Arten bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Durchschnitt 44 bis 50 Prozent ihrer heutigen Fläche verlieren. Diese Verluste sind zwar deutlich geringer als mit traditionellen Modellierungstechniken vorausgesagt, das liegt aber daran, dass das Phänomen der "Aussterbe-Verzögerung" in bisherigen Modellen nicht berücksichtigt wurde.

Um langfristig an einem Standort zu überleben, muss eine Pflanze den gesamten Reproduktionszyklus abwickeln können, also Samen bilden, keimen, heranwachsen, blühen und schließlich wieder Samen bilden. Wird dieser Zyklus unterbrochen, etwa durch Veränderungen der Standortbedingungen in Folge des Klimawandels, ist die Art an diesem Standort todgeweiht. Doch es dauert eine Zeit lang, bis sie tatsächlich verschwindet, denn ausgewachsene alpine Pflanzen "halten durchaus einiges aus, auch klimatische Veränderungen", so Hülber.

"Irgendwann stirbt die widerstandsfähigste Pflanze"
Diese Aussterbe-Verzögerung beträgt im Schnitt der 150 untersuchten Arten 40 bis 50 Jahre. In den kommenden Jahrzehnten werden daher wahrscheinlich nur moderate Verluste an Pflanzenarten in den Alpen zu beobachten sein. "Das sagt aber nichts über die längerfristige Zukunft dieser Arten aus - irgendwann stirbt auch die widerstandsfähigste und langlebigste Pflanze, und dann ist es vorbei", so der Experte.

Besonders empfindlich auf den Klimawandel reagieren der Studie zufolge endemische Arten, also Pflanzen, deren Verbreitung auf Teilgebiete der Alpen beschränkt ist. Drei von vier dieser Arten werden mindestens 80 Prozent ihres derzeitigen Verbreitungsgebietes einbüßen, weil sie klimatisch geeignete Areale nicht erreichen können. Verstärkend kommt hinzu, dass diese Arten häufig in Randgebieten der Alpen vorkommen, wo geringere Gipfelhöhen ein Ausweichen in höhere Lagen nicht ermöglichen und die damit zur klimatischen Falle werden. "Dies ist besonders besorgniserregend, weil endemische Arten ein natürliches Erbe darstellen, das einzigartig für eine Region ist und im Falle des lokalen Aussterbens einen unwiederbringlichen Verlust bedeutet", so Hülber.

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