Die Universitätsgalerie der Angewandten erinnert an die revolutionäre „Jugendkunstklasse“ von Franz Čižek - und bringt ihn in Zusammenhang mit der wiederentdeckten Künstlerin Lill Tschudi.
Es waren Kreidekritzeleien auf der Straße, die den Maler Franz Čižek in ihren Bann zogen. Es war fasziniert von den unbeschwerten Zeichnungen der Kinder, die sich nicht an irgendwelche Vorgaben hielten.
Diese Freiheit förderte er dann auch in seinen berühmten „Jugendkunstklassen“, die der aus Böhmen stammende Čižek ab 1906 in der Wiener Kunstgewerbeschule leitete. Sein neuer pädagogischer Ansatz stieß international dank einiger Ausstellungen auf großes Interesse.
Insgesamt 1500 Kinder besuchten diese Klassen bis 1937, einige aus dem Bildungsbürgertum, aber viele auch aus der Arbeiterschicht der Vororte. Bedingung war nur eine künstlerische Begabung, aber getragen von kindlicher Begeisterung. Čižek sah sich nicht als Lehrer, sondern als „unsichtbarer Lenker und Beschützer“. „Ich bin kein Pädagoge, sondern: Wecker, Hervorrufer, Anreger und Förderer!“
Ein Labor der Moderne
Die Kunst der Kinder ließ er auch als Inspiration in seine „Ornamentale Formenlehre“-Klasse einfließen. Mit dem freien Gestalten, dieser Befreiung des Ornaments von allen akademischen Zwängen, schuf er ein „Labor der Moderne“, so Kuratorin Cosima Rainer. Ein „Labor“, mit dem er viele, auch internationale Künstler nachhaltig beeinflusste. Vor allem Künstlerinnen. Da es Frauen bis 1920 nicht erlaubt war, an der Akademie zu studieren, bot die Kunstgewerbeschule ihnen eine Ausbildungsmöglichkeit - und so besuchten viele Čižeks Klasse.
Viele grafische Werke seiner Schüler(innen), der großen sowie der kleinen, hat man in den wunderbaren Ausstellungsräumen der Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof zusammengetragen - und sie in einen spannenden Dialog mit der erst vor Kurzem wiederentdeckten Künstlerin Lill Tschudi gebracht.
Die 1911 geborene Schweizerin hatte zwar in der Realität wenig Berührungspunkte mit Čižek, lernte aber an der Grosvenor School of Modern Art in London bei Claude Flight, der sehr von dem Reformpädagogen geprägt war. Da zeigt sich Čižeks breiter, nachhaltiger Einfluss. Zum Beispiel führte Tschudi die von Čižek propagierte, so leicht scheinende Grafiktechnik des Linolschnitts in besonders beeindruckender Weise weiter. So trifft man immer wieder auf Schnittpunkte, die der (von Robert Müller künstlerisch gestalteten) Ausstellung eine ganz eigene - freie - Dynamik geben.
Die Ausstellung läuft noch bis 16. 12. - nähere Informationen gibt es hier.
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