Theorie widerlegt

Orientierungssinn der Vögel bleibt ein Rätsel

Wissenschaft
12.04.2012 11:20
Der Orientierungssinn der Vögel bleibt ein Rätsel: Forscher vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien haben die bisherige Annahme widerlegt, dass eisenhältige Zellen im Schnabel der Tiere für die Wahrnehmung des Magnetfeldes der Erde zuständig sind und den Vögeln damit die sichere Navigation ermöglichen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber offenbar "nur" um weiße Blutkörperchen.

Die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" veröffentlichten Ergebnisse "werfen leider mehr Fragen auf, als sie beantworten", so Molekularbiologe David Anthony Keays im Gespräch. "Es setzt das ganze Fachgebiet wieder an den Start."

Keine eisenhaltigen Nervenzellen
Eigentlich wollten Christoph Treiber und Marion Salzer aus Keays' Forschungsgruppe eine deutsche Studie replizieren, die an Tauben im Schnabelbereich jene eisenhältigen Nervenzellen aufgespürt hatte (Bericht in der Infobox), denen die Wissenschaft seither den Magnetsinn zuschrieb. Zunächst untersuchte man im IMP eine Gruppe deutscher Tauben - und fand die Zellen nicht. Vielleicht ein Gendefekt? Bei einer weiteren Gruppe stellte sich das Unterfangen ebenso als schwierig heraus, "sowohl der genaue Ort als auch die Anzahl dieser Zellen unterschied sich von Tier zu Tier gewaltig", erzählt Keays. "Wir dachten, wir machen irgendetwas falsch."

Kranke Taube brachte die Lösung
Dass manche Tauben mehr Zellen "mit Magnetsinn" haben sollten als andere, schien unlogisch. Die Lösung brachte eine Taube mit einer Infektion: Rund um den Infektionsherd fanden die Wissenschaftler Zehntausende dieser Zellen. "Da haben wir verstanden, dass es sich um weiße Blutkörperchen handelt, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Infektionen spielen. Eisenhältig sind sie, weil sie das Eisen aus den roten Blutkörperchen recyceln", so Keays. Durch hochauflösende Bildgebungsverfahren konnten die Forscher diesen Vorgang auch zeigen.

Rätsel weiterhin ungelöst
"Unglaublich frustrierend" nennt Keays die Entdeckung. Denn wie viele anderen Forscher möchte er endlich dem Rätsel um das schlafwandlerisch sichere Orientierungssystem der Vögel auf die Spur kommen. "Jetzt haben wir aus dem Puzzle erst einmal einige wesentliche Teile wieder herausgenommen - vielleicht bekommen wir damit ein klareres Bild". Immerhin sei dies ein weiterer Beweis, "dass die Wissenschaft eine selbst korrigierende Unternehmung ist", so Keays.

Außer Frage steht weiterhin, dass die Vögel - ebenso wie Schildkröten, Bienen und vielleicht auch Kühe - über die Fähigkeit verfügen, Magnetfelder wahrzunehmen. "Irgendwo müssen die Zellen dafür sein. Wir suchen wie verrückt nach ihnen. Aber momentan muss ich sagen: Ich weiß einfach nicht, wo sie sind."

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