Parteirebell tritt ab

Rundumschlag: Karas kandidiert nicht mehr für ÖVP

Politik
12.10.2023 11:16

Die ÖVP muss sich einen neuen Spitzenkandidaten für die kommende EU-Wahl suchen. Ihr bisheriges Aushängeschild Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments, zieht sich vorerst aus der Spitzenpolitik zurück - und das mit einem Rundumschlag gegen die eigene Partei. Parteimitglied will er aber trotzdem bleiben, seine politische Zukunft ließ er offen.

Zuletzt war Karas sich mit seiner Partei immer seltener einig, stand doch sogar im Raum, dass er sich künftig von der ÖVP abspalten und mit einer eigenen Liste bei der nächsten EU-Wahl antreten könnte. Nun setzte der EU-Spitzenpolitiker selbst einen Strich unter die Gerüchte und verkündete, dass er künftig nicht mehr für die Volkspartei bei der EU-Wahl antreten werde.

Parteirebell teilt ordentlich aus
Nach 25 Jahren im Parlament werde er nicht mehr kandidieren, erklärte er ganz staatsmännisch im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag. „Ich habe mir das nie vorstellen können und habe dies auch nie angestrebt“, begann er seinen Rundumschlag, vor allem gegen die ÖVP. Vieles von dem, was in den letzten Monaten und Jahren in der heimischen Politik passiert ist, „wie Politik hier gemacht wird“, widerstrebe seinem Grundverständnis einer Demokratie, betonte er.

Karas ortet „nachhaltigen Schaden durch Politik“
Es gebe „extreme Fehlentwicklungen“, einst staatstragende Parteien würden politische Ränder kopieren, der Weg der Mitte werde verlassen und der „Zusammenhalt der Gesellschaft“ aufs Spiel gesetzt. Dabei werde gar nicht verstanden, „welch nachhaltigen Schaden diese Politik auslöst“. Er sieht darin auch einen Grund, warum die Menschen zunehmend das Vertrauen in die Politik und Institutionen verlieren.

Karas erinnerte an Zeiten der Krise, in denen „unser demokratisches Selbstverständnis reflektiert worden“ sei - aktuell sei wieder eine solche Zeit, die Probleme würden aber vielmehr mit einem lapidaren „Das wird schon werden“ vom Tisch gewischt.

Genug vom „strategisch notwendigen Unsinn
Das Land befinde sich in einer schwerwiegenden Krise, die aber nicht einfach weggewischt werden dürfe. Allen voran sieht Karas die politischen Akteure, „auch aus meiner eigenen Partei“, dafür verantwortlich. „Statt echter Lösungen verlieren wir uns im Lärm der Nebenschauplätze“, kritisierte er etwa den „strategisch notwendigen Unsinn“, den der ÖVP-Kommunikationsleiter Gerald Fleischmann zuletzt in seinem Buch erklärt hat - am Ende bleibe davon nur „der Unsinn über“, so Karas.

Es handle sich dabei um eine sinnlose Emotionalisierung und Polarisierung, ein Spiel mit den Sorgen der Menschen „ohne faktischen Hintergrund“, spielte er etwa auf die Bargeld-Debatte an, die schon seit Jahren populistisch missbraucht werde. „Das ist nicht nur meine Meinung, führende Persönlichkeiten und Experten innerhalb der Volkspartei haben sich gegen solche Scheinheiligkeiten ausgesprochen“, sieht er sich nicht alleine mit seinen Standpunkten.

Karas gab am Donnerstag nicht nur den Elder Statesman - er erinnerte die heimische Politik auch an ihre Verantwortung. (Bild: APA/EVA MANHART)
Karas gab am Donnerstag nicht nur den Elder Statesman - er erinnerte die heimische Politik auch an ihre Verantwortung.

„Geht mir unheimlich auf die Nerven, als Linker tituliert zu werden“
Dennoch sei er in seiner Partei oft alleine dagestanden, betonte er aber, dass er diesen „oft unbequemen Weg“ stets aus tiefster Überzeugung gegangen sei. Vor allem in der Migrationsfrage „geht es mir unheimlich auf die Nerven, als Linker tituliert zu werden“, wenn er etwa forderte, dass das Sterben im Mittelmeer ein Ende haben müsse. Für Ideale müsse man aber einstehen und sich auch offen dafür aussprechen und nicht nur „unter der Hand“ seine Zustimmung erklären, richtete er einigen Parteikollegen aus. 

Massive Kritik an „Parteifreunden“
Vor allem in den letzten Monaten sei der Umgang mit ihm aber zunehmend „nicht mehr akzeptabel“ gewesen - in 40 Jahren in der Partei habe er es etwa nicht erlebt, dass ihm vom Generalsekretär der eigenen Partei (Anm. Christian Stocker, ÖVP) per Presseaussendung erklärt wurde, dass seine inhaltliche Kritik an der Volkspartei nicht zielführend sei, so Karas sichtlich verärgert. Der Stil sei einer staatstragenden Partei „unwürdig“, die gemeinsame Gesprächsbasis und der gegenseitige Respekt schlicht verloren gegangen.

Der politische Weg des Othmar Karas

Karas zog 1999 für die Volkspartei ins EU-Parlament ein. Von 2006 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 leitete der die ÖVP-Delegation. Im Jänner 2022 wurde der gebürtige Niederösterreicher zum Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gekürt. Dieses Amt bekleidete er zuvor bereits von 2012 bis 2014 sowie von 2019 bis 2022.

Man sei schließlich auch dem Land verpflichtet und nicht nur einer einzelnen Partei. „Es geht mir nicht darum, gegen etwas zu sein, es geht mir darum, für etwas einzustehen, so bin ich, so bleibe ich“, so Karas weiter. Er habe sich jedenfalls in all den Jahren stets „in den Spiegel schauen“ können - „und das werde ich auch in Zukunft“.

Diametraler Kurs zur ÖVP
Karas fuhr zuletzt etwa in der Migrationsfrage einen diametral anderen Kurs als seine Partei. Im vergangenen Dezember schoss er etwa scharf gegen ÖVP-Innenminister Gerhard Karner und dessen Schengen-Blockade für Bulgarien und Rumänien. Diese trage nichts zur Lösung bei den Asylzahlen bei und habe damit auch nichts direkt zu tun. Beides zu vermischen sei „unverantwortlich und unsäglich“, so Karas damals in Richtung Karner.

Doch eine eigene Partei? „Wird sich zeigen“
Karas gilt jedenfalls bei den Wählern als beliebt und brachte in der Vergangenheit der ÖVP zuverlässig Stimmen. Schon 2019 liebäugelte er aber damit, mit einer eigenen Plattform anzutreten, um die ÖVP unter Druck zu bringen.

Der Politik will er in irgendeiner Form zwar noch erhalten bleiben, wie genau, verrät er aber noch nicht. Er habe nun eine „erste Entscheidung getroffen“, erklärte Karas - alles Weitere werde man in den kommenden Monaten sehen. Etwaige Spekulationen, ob er doch mit einer eigenen Liste antreten wird oder gar Bundespräsident werden möchte, wollte er nicht kommentieren.

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