Chefs aus OÖ angeklagt

Millionen Euro Körberlgeld mit Schwarzarbeitern

Oberösterreich
29.08.2023 07:00

Einen „Monsterprozess“ nennt ihn ein Verteidiger. Doch der Staatsanwalt ist sicher: Eine Firma aus Oberösterreich und Wien hat massiv betrogen. Nämlich, indem sie am Bau Schwarzarbeiter beschäftigt haben soll. Millionen Euro sollen so „erwirtschaftet“ worden sein. Die Angeklagten sagen: „Nicht schuldig“

Gegen die Geschäftsleitung und den Prokuristen einer auf Wärmedämmung und Wohnbausanierung spezialisierten Firma mit Standorten in Oberösterreich und Wien ist am Montag am Wiener Landesgericht ein Prozess um Sozialbetrug mit einer inkriminierten Schadenssumme von knapp 2,4 Millionen Euro eröffnet worden. Das Unternehmen soll im großen Stil Schwarzarbeiter beschäftigt und sich dergestalt im Lauf der Jahre die Sozialversicherungsbeiträge für 897 Dienstnehmer „erspart“ haben.

„Sozialversicherungsbetrug ist ein sperriges und kompliziertes Feld“, bemerkte der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingangs der Verhandlung. Im vorliegenden Fall sei die Beweislage aber „relativ stark und verdichtet“. Das Unternehmen habe bei diversen Baustellen regelmäßig auf Sub-Unternehmen zurückgegriffen, die für die beschäftigten Dienstnehmer keine Steuern und Abgaben entrichteten und nach kurzer Zeit in Konkurs gingen, ehe bei der Finanz aufgrund der ausbleibenden Beiträge die Alarmglocken schrillen konnten.

Als die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge auffielen, waren die entsprechenden Arbeiter längst bei der nächsten Sub-Firma beschäftigt - in der Regel wieder schwarz. „20 derartige Anmelde-Vehikel konnten identifiziert werden“, führte der Anklagevertreter aus. Pro beschäftigtem Schwarzarbeiter hätten diese „Scheinfirmen“ einen Pauschalbetrag von 250 Euro erhalten, die Verantwortlichen von zwei derartigen Betrieben seien bereits gerichtlich abgeurteilt worden.

Angeklagter hat verordnete Bettruhe
„Sie sind unschuldig“, betonte Verteidiger Franz Berndorfer, der die zwei angeklagten Geschäftsführer vertritt, wobei einer der beiden beim Verhandlungsauftakt aus gesundheitlichen Gründen fehlte. Der Mann sei zwar kürzlich aus dem Spital entlassen worden, bedürfe aber „absoluter Ruhe. Er darf sich nicht bewegen, sondern muss ganz viel liegen“, erläuterte Berndorfer. Seine Mandanten seien grundsätzlich „fleißige Leute“ und in der oberösterreichischen Provinz „gut eingelebt. Die brauchen keinen Luxus“. Die Firma machen einen Umsatz von zehn Mio. Euro im Jahr, „warum sollten die Gaunereien im Ausmaß von zwei Millionen begehen?“, fragte sich der Anwalt.

Die Beschäftigung von Sub-Unternehmen sei „branchenüblich“, die Angeklagten seien „gutgläubig“ davon ausgegangen, dass bei diesen Firmen alles mit rechten Dingen zugeht, betonte Berndorfer. Die Baustellen seien auch wöchentlich kontrolliert worden, Schwarzarbeiter - in absoluten Einzelfällen sei man auf solche gestoßen - habe man sofort „von der Baustelle verwiesen“.

„Monsterverfahren“
Im Unterschied zum Staatsanwalt bezeichnete Berndorfer die Beweislage als mager. Es gebe „vier, fünf dürftige Zeugenbelastungen“ sowie „gelbe Listen mit Belastungsmaterial, wo wie wir nicht wissen, ob die ein Lehrling geschrieben hat, der nicht gut drauf war“. Er wundere sich, „wieso hier so ein Monsterverfahren aufgeblasen wird“. Zugleich verlangte Berndorfer die Auswertung des gesamten Akteninhalts - bei einer bereits im März 2018 vorgenommenen Hausdurchsuchung in den Firmenräumlichkeiten habe man immerhin exakt 499 Aktenordner sichergestellt. Seinem Kenntnisstand zufolge hätten sich darunter „keine verdächtigen Unterlagen befunden“, sagte Berndorfer.

Verteidiger Klaus Ainedter, der den Prokuristen und einen vierten leitenden Angestellten vertritt, bekräftigte, im österreichischen Bauwesen gelte das „Billigst-Bieter-System“, bei dem man ohne Sub-Unternehmen nicht auskomme. Dass es sich dabei im konkreten Fall um „Scheinfirmen“ gehandelt habe, hätten seine Mandanten nicht geahnt. Man habe vielmehr „alles, was der Gesetzgeber wollte, gemacht“, insistierte Ainedter.

Chefsekretärin besser informiert als Chef
Im Anschluss erläuterte der Firmen-Gründer, der sein Einkommen mit 5.000 Euro netto bezifferte („Bei der Polizei waren‘s noch 9.000“, bemerkte dazu der vorsitzende Richter) und zu seinem Vermögen keine Angaben machen wollte, weshalb er auf Sub-Firmen zurückgegriffen habe. „Keiner wollte arbeiten“, behauptete der 60-Jährige. In seinem Betrieb gelte eine 40 Stunden-Woche, doch die Arbeiter „sind um neun gekommen und um drei am Nachmittag gegangen“. In Wien habe man sogar „Plakate aufgehängt“ und damit nach Personal gesucht - mit mäßigem Erfolg, wie der Geschäftsführer bedauerte. Also sei man „in den Sub gegangen“ und habe notgedrungen „weitere Sub-Sub-Aufträge“ vergeben. Details dazu wisse die Chefsekretärin: „Das war ihr Aufgabengebiet“. „Die Chefsekretärin ist immer besser informiert als der Chef“, witzelte darauf der Richter, der die Verhandlung auf mehrere Tage anberaumt hat.

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