Tiroler Landtag

Arm trotz Arbeit: Das Problem wird nicht kleiner

Tirol
06.07.2023 12:28

Gehälter, die kaum fürs Leben reichen, geschweige denn, sich bescheidenen Wohlstand aufzubauen: Das Problem des Arbeitskräftemangels zeigt sich in Tirol besonders dramatisch. Die Schattenseiten der Vollbeschäftigung kamen im Landtag zur Sprache. Die Meinungen prallten aufeinander.

Wohlstand aufbauen durch harte Arbeit, das war in Tirol einmal. Die Gehälter können mit den Preissteigerungen schon lange nicht mehr mithalten. „Ich war selbst Maurerlehrling. Ich bin die letzte Generation, die sich Haus bauen hat können“, berichtete FP-LA Andreas Gang aus seiner Praxis. „Keiner wollte früher eine Lehre machen. Heute haben wir viel Studierte, die können sich aber auch nix leisten.“ Er plädierte für eine deutliche Anhebung der Gehälter.  „Warum soll die Supermarktkassierin Vollzeit für 1200 Euro im Monat arbeiten, und der Arbeitslose bekommt 920 Euro? Das stimmt doch etwas nicht.“ 

Kritik an geplanten AMS-Kürzungen
Die Arbeitslosen-Quote betrug wie berichtet in Tirol Ende Juni 3 Prozent. „Was bedeutet Vollbeschäftigung? Die Betriebe suchen händeringend Mitarbeiter“, erläuterte Arbeitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP) und verwies auf arbeitspolitische Maßnahmen, die sie bereits gesetzt habe, wie Ausbildungsbeihilfen und Förderungen für Sozialökonomische Betriebe. In diesem Zusammenhang kritisierte sie die geplanten AMS-Kürzungen in Tirol um 7,3 Millionen Euro. „Das letzte Wort ist hier aber noch nicht gesprochen. Wir werden nicht aufgeben, zu kämpfen, um zu verhindern, dass sozialökonomische Betriebe zu Schaden kommen“, sagte Mair. 

Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, braucht es allen Mut, sagte Mair. Sie sei in vielen Gesprächen mit Arbeitsminister Martin Kocher, „leider sind Grünen im Bund sehr zögerlich unterwegs“, sagte sie. Das sorgte für Zwischenrufe der Grünen-Fraktion. Sie erwarte sich konkret, Überstunden geringer zu besteuern.

Für noch mehr Aufregung sorgte der Sager über die Asylberechtigten und Asylwerber: Man müsse versuchen, sie aus Grund- und Mindestsicherung herauszuholen. „Wenn sie bei uns im Land sind, können sie einen Beitrag leisten“, sagte Mair: „Wir brauchen keine zusätzlichen hereinholen, weil genügend zur Verfügung stehen.“

Arbeitskräfte aus aller Welt werden benötigt
„Was bringt Vollbeschäftigung, wenn manche kaum von ihrem Einkommen leben können und sich keinen Wohlstand aufbauen können?“, fragte FP-LA Patrick Haslwanter und verwies auf eigene Erfahrungen: „Ich habe, seit ich 19 bin, immer gearbeitet und hatte trotzdem Mühe, meine dreiköpfige Familie halbwegs über Wasser zu halten. Ich werde nie vergessen, wie es mir damals ergangen ist, und wie es jenen geht, die mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen.“

Es gebe viele Bereiche, in denen der Personalmangel gefährlich sei, wie zum Beispiel im Bereich Bildung oder beim medizinischen Personal. „Die demografische Entwicklung erfordert qualifizierter Zuzug. Das Problem ist, Tirol nicht mehr so attraktiv für gut ausgebildete Fachkräfte. Der Grund sind hohe Lebenserhaltungskosten und hohe Steuern, die es in anderen Ländern nicht gibt. Interessant sind wir für Wirtschaftsflüchtlinge“, sagte FP-LA Haslwanter. Man befinde sich an einem Kipp-Punkt: „Viele arbeiten hart, aber sind trotzdem von finanziellen Sorgen geplagt.“ 

354.000 Personen seien in Vollbeschäftigung, 10.800 als arbeitssuchend gemeldet, berichtete SP-LA Philip Wohlgemuth, zugleich ÖGB-Chef. „Neue Sanktionen werden Probleme am Arbeitsmarkt nicht lösen“, erteilte er diesbezüglichen Überlegungen eine Absage. „Ich habe noch nie niemanden getroffen, der sagt, juhu, Arbeitslosigkeit ist super. Ich bin froh, dass wir einen Sozialstaat haben, in dem niemand zurückbleibt.“ Der Fachkräftemangel müsse gemeinsam beseitigt werden durch Investitionen in den Arbeitsmarkt, „weil das Menschen Perspektiven  - Aufstieg, Gesundheit, Weiterbildung - gibt.“ Er wandte sich ebenfalls gegen die geplanten Kürzungen beim Arbeitsmarktservice. 

Aslan ortete Pensionsraub an Frauen
„Die ÖVP blockiert Frauenquote, Lohntransparenz, Recht auf Kinderbetreuung“, kritisierte Grün-LA Zeliha Arslan und sprach die spezielle Situation von Frauen an, „die in Tirol 10.878 euro im Jahr weniger verdienen, 435.000 Euro weniger auf Arbeitsleben gerechnet“. 95 % des Vermögens in Tirol gehöre Männern. „Viele Frauen müssen sich verausgaben, System profitiert davon.“ Österreich brauche Zuwanderung. Aber wenn wir Bedingungen nicht ändern, wird sich nur kurzfristig etwas verbessern.

Er sei „sprachlos und geschockt“  über Vortrag von LR Mair, sagte Neos-Chef Dominik Mair. Es sei „armselig, sich auf Kosten von Ausländern zu profilieren“. Österreich wäre ohne Zuzug „das Armenhaus in Europa“, sagte Oberhofer. Dass niemand Freude mit Arbeitslosigkeit habe, damit gebe er ÖGB-Chef Wohlgemuth nicht recht: Vielen mache das Stempeln wenig Sorgen. Arbeit rentiere sich immer weniger, weil die Steuern- und Abgabenquote immer weiter steige. „Wir müssen Arbeit wieder attraktiv machen. Wenn junge Menschen kein Kapital mehr aufbauen können für eine Wohnung, dann sind sie nicht mehr an harter Arbeit interessiert.“ 150.000 Arbeitskräfte werden 2030 fehlen. „Wie wollen wir das kompensieren? Wir müssen Menschen massiv entlasten. Leistung muss sich lohnen, das plakatiert die ÖVP bei jeder Wahl. Die Umsetzung ist sie schuldig geblieben!“

Wirtschafts-LR Mario Gerber pflichtete bei: „Wir müssen Mehrarbeit steuerlich entlasten. Und fair über Regelarbeitszeit diskutieren.“ Die Zahl der offenen Stellen werden sich erhöhen. Über Arbeitszeitverkürzung zu reden wie die SPÖ sei der falsche Schritt. „Die Zeit ist dazu nicht reif, wir würden mit Sicherheit Schiffbruch erleiden.“

Den Grünen auf Bundesebene warf er vor, bei den Themen nicht mitgehen zu wollen. „Wir könnten das bereits nächste Woche beschließen. Bitte, Gebi Mair (Anm: Chef der Tiroler Grünen) setz dich in Wien dafür ein, dass Lösungen vor ideologische Grabenkämpfe gestellt werden.“

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