Trauriger Jahrestag

Gemeinsamen Tod als letzten Ausweg gewählt

Tirol
19.04.2023 15:05

Am 19. April 1943, also vor 80 Jahren, nahm sich ein hoch dekorierter Kaiserjäger-Offizier und führender Pfadfinder mit seiner Frau in der Innsbrucker Wohnung das Leben. Ein letzter Ausweg, nachdem das nationalsozialistische Regime das „Misch-Ehepaar“ immer mehr drangsaliert hatte.

Das Kriegsjahr 1943: Die Niederlage von Stalingrad erschüttert das Dritte Reich. An der Heimatfront ist man besessener denn je, die „Judenfrage“ radikal zu lösen.

Das trifft auch das Innsbrucker Ehepaar Teuber. Sie ist Jüdin, hat bisher aber den Schutz ihres „arischen“ Ehemannes Oskar. Er ist ein Kaiserjäger-Offizier, dem bei einer Ehrung im 1. Weltkrieg attestiert wurde: „Bescheiden, anspruchslos, Freud und Leid mit der Mannschaft teilend.“ Danach fungiert er als Heimkehrreferent bei der Tiroler Landesregierung, ist angesehener Offizier beim damaligen Bundesheer und wirkt bei der Gründung der österreichischen Pfadfinder mit.

Der Anschluss stellte das Leben auf den Kopf
Das Jahr 1938 stellt das Leben des Patrioten und seiner Frau dann auf den Kopf, sie werden „Menschen zweiter Klasse“. „Es geht nicht, mit einer Jüdin unter einem Dach zu wohnen“, heißt es nicht nur von Nachbarn. „Der Druck, sich scheiden zu lassen, wurde sukzessive erhöht“, recherchierte Pfadfinder-Chronist Bernhard Linhofer. Der Völser konzipierte einen Vortrag zum Schicksal der Teubers und konnte dafür auch zwei Fotoalben der Familie sichten.

3. November 1918: Hauptmann Oskar Teuber (4. v. re.) ist noch ahnungslos, dass Kriegsende und Gefangenschaft bevorstehen. Der Offizier wurde als Vorbild beschrieben. (Bild: Tiroler Pfadfinder Archiv)
3. November 1918: Hauptmann Oskar Teuber (4. v. re.) ist noch ahnungslos, dass Kriegsende und Gefangenschaft bevorstehen. Der Offizier wurde als Vorbild beschrieben.

Die Nazi-Behörden schließen Teubers Nichte Charlotte von der Schule aus, verhaften Bruder Emmerich. Zu Ostern 1943 wird alles noch schlimmer: Gauleiter Franz Hofer schwadroniert von einem gänzlich judenfreien Gau. Daher gilt der Schutz durch einen arischen Ehepartner nicht mehr. SS-Obersturmführer Werner Hilliges lässt schrittweise und möglichst ohne Aufsehen über alle jüdischen Ehepartner – meist ältere Frauen – die Schutzhaft verhängen. Samt Einlieferung in das Lager Innsbruck-Reichenau.

Die Begräbnisstelle in Mühlau um das Jahr 1980 (Bild: Bernhard Linhofer)
Die Begräbnisstelle in Mühlau um das Jahr 1980

„Wir sind um ihr Leben betteln gegangen“
Auch die Teubers erhalten den Schutzhaftbefehl, verzweifelte Interventionen folgen. „Wir sind um ihr Leben betteln gegangen“, erinnert sich Nichte Charlotte später. Sogar Gauhauptmann Gustav Linert schreibt kurz darauf von einem „untadeligen Leben“ Teubers, das man nicht „zerbrechen“ solle. Es sei doch auch ein gutes Zeugnis, dass er trotz aller Entsagungen seine Ehefrau nicht verleugne. Beim übergeordneten Gauleiter Hofer bleibt dies alles jedoch wirkungslos.

Vorbereitungen auf die Verzweiflungstat
Hausbewohner in der Goethestraße 15 in Innsbruck-Saggen bemerken dann, dass Oskar Teuber seine Parterrewohnung abzudichten beginnt. Einen Tag bevor sich seine Frau in der Reichenau hätte einfinden müssen. Mit Leuchtgas nimmt sich das Ehepaar am 19. April 1943 schließlich das Leben.

In der Goethestraße 15 ging das Paar in den Freitod (Bild: Bernhard Linhofer)
In der Goethestraße 15 ging das Paar in den Freitod

Wirbel um Begräbnis
Das Begräbnis schlägt Wellen, Persönlichkeiten aus dem einstigen Ständestaat und Linert nehmen daran teil. Er wird deshalb von Hofer streng gemaßregelt. In der Öffentlichkeit werden die Teubers fast vergessen. Fotos, Dokumente, ein Grabkreuz und ein noch heute existierendes kleines Wochenendhaus in der Leutasch helfen Bernhard Linhofer bei seinen Recherchen. Ein Schicksal in dunkelsten Jahren . . .

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