Schallenberg in USA

Blinken: „Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein“

Politik
08.02.2023 07:19

Mehr als eine Stunde unterhielten sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und sein US-Amtskollege Antony Blinken am Dienstag im State Department in Washington. Denn viel stand auf der Agenda. Russland, die Ukraine, der Iran, der Westbalkan und die Geschehnisse in der Türkei. Man schätzt einander als starker Partner. Diese Rolle, so Schallenberg, gilt es zu festigen. Zu lange haben Europa und die USA sich als selbstverständlich angesehen und seien dabei „Rücken an Rücken anstatt Schulter an Schulter gestanden“.

Blinken lobte Österreichs Engagement am Westbalkan, seine Führungsrolle in der OSZE und bei der Unterstützung für die Ukraine. „Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein“, soll Blinken im Vier-Augen-Gespräch mit Schallenberg gesagt haben.

„Österreich leistet stärkste humanitäre Hilfe überhaupt“
Österreich sei zwar militärisch neutral, hielt Schallenberg diesbezüglich neuerlich fest, leiste aber in Bezug auf seine Wirtschaftsleistung die stärkste humanitäre Hilfe überhaupt. Das werde auch von den USA erkannt und gewürdigt, meinte er nach dem rund einstündigen Gespräch. Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar des Vorjahrs habe die Augen geöffnet, so Schallenberg. 500 Kilometer von Österreich entfernt gebe es wieder Krieg. Da heiße es, an einem Strang zu ziehen.

„Ende des Leids“ noch nicht gekommen
Blinken würdigte auch die Rolle Österreichs am Westbalkan und als internationaler Vermittler, beispielsweise als Gastgeberland der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Der Krieg in der Ukraine werde sich noch weit in das Jahr 2023 hineinziehen, prognostizierte Schallenberg. Das „Ende des Leids“ sei noch nicht gekommen. Außerdem müsse mit „weiteren Eskalationsstufen“ gerechnet werden. Dass sich der Krieg von der Ukraine auch auf den Westen ausbreiten werde, sei damit aber nicht gesagt: „Die NATO und die USA sind darauf bedacht, sich nicht hineinziehen zu lassen.“

Es sei aber legitim, einem Land, dessen Souveränität angegriffen wurde, bei der Verteidigung zu helfen. Das mache einen „noch nicht zur Kriegspartei“. Der Westen habe angesichts der untragbaren Ereignisse in der Ukraine bisher aber eine beeindruckende Geschlossenheit gezeigt, lobte Schallenberg. Es gelte aber immer das Augenmaß zu bewahren und nicht „über das Ziel hinauszuschießen“.

„Sind in einer systemischen Auseinandersetzung“
Zur Bedeutung und den Folgen des Kriegs in der Ukraine hatte Schallenberg schon vor dem Treffen festgehalten: „Wir sind in einer systemischen Auseinandersetzung. Wie wir agieren, wird unser Ansehen prägen.“ Sollte sich der Westen auseinanderdividieren lassen, werde er etwa in Afrika an Einfluss verlieren. Sollte es etwa der EU in näherer Zukunft nicht gelingen, gemeinsam mit den USA geschlossen gegen die russische Aggression aufzutreten und eine Einheit zu zeigen, würden sich die Folgen „zwar nicht gleich, aber in fünf Jahren“ bemerkbar machen, schätzte der Außenminister. „Dann sind andere dort, Russland oder China.“

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Wie wir agieren, wird unser Ansehen prägen.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP)

Es gehe eben auch um weltanschauliche Geostrategien und Weichenstellungen, argumentierte Schallenberg. Das gelte etwa auch für die Länder des Westbalkans, für deren EU-Eingliederung Österreich sich ja seit jeher starkgemacht hat. Auch dort würden andere Player als die EU versuchen, Einflussnahme zu üben.

USA schätzen Österreich als „starken Partner“
Neben dem Ukraine-Krieg wurden auch die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien sowie Bilaterales besprochen. Beide Seiten betonten die guten Beziehungen. „In Krisenzeiten müssen und wollen wir zusammenstehen“, so Schallenberg. Blinken sagte, die USA schätzten Österreich als „starken Partner“. Wegen der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien müsse den Betroffenen geholfen werden, waren sich Blinken und Schallenberg einig. Syrien betreffend würden die USA den Menschen Unterstützung und Geld zukommen lassen, nicht aber dem Regime von Präsident Bashar al-Assad.

Es sei durchaus ein Ausdruck der Wertschätzung, dass eine österreichische Delegation knapp vor dem ersten Jahrestag des Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar in Washington empfangen werde, urteilte der ÖVP-Minister, der neben Blinken unter anderem auch die Chefin der US-Geheimdienste, Avril Haines, CIA-Boss William Burns oder den Koordinator für den Nahen Osten und Afrika, Brett McGurk, traf.

Abhängigkeit von Russland
Experten der konservativen Denkfabrik Hudson Institute erklärten aber auch, dass es in den USA durchaus auch Bedenken gebe. Österreich habe Russland jahrelang anders eingeschätzt als Washington und versucht, ein engeres Verhältnis mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aufzubauen. Das sei mitunter auch auf Unverständnis gestoßen. Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit Österreichs von Russland werde in den USA kritisch beäugt.

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