Proteste & Schlägerei

Debatte um Fuchsjagd in England tobt weiter

Ausland
28.12.2022 09:07

Es dürfte eines der bekanntesten Bilder aus englischen Städtchen sein: Fein herausgeputzt, in roten Jacken und hoch zu Ross trabt eine Gruppe Jäger durch die Straßen, vorneweg wieselt ein Rudel Hunde. Im winterlichen Sonnenschein oder aus dem Nebel der umliegenden Hecken und Felder erscheinend, bietet sich ein Blickfang. Doch nicht alle Briten genießen das Schauspiel. Obwohl die Hetzjagd auf lebende Tiere schon längst verboten ist und nur einer Geruchsspur hinterhergejagt wird, kommt es sogar zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern.

Die Jagden, seit Jahren nur noch Traditionsspektakel und kein Ernst mehr, teilen die Gesellschaft in Gegner und Befürworter. Vor allem zwischen dem zweiten Weihnachtstag - dem „Boxing Day“ - und dem Neujahrstag als wichtigste Events der Jagdfreunde kochen Emotionen hoch.

Polizei muss zu traditionellen Jagdevents ausrücken
Beispiel Bungay: Als die Jäger mit ihren Hunden durch die Straßen der ostenglischen Kleinstadt paradierten, waren auch lautstarke Kritiker mit Protestschildern in der Menge. Es kam zu Handgreiflichkeiten, die Polizei musste eingreifen. In der Grafschaft Cambridgeshire soll ein Jagdgegner einen Befürworter angespuckt haben, er wurde festgenommen. Auch bei den traditionellen „hunts“ am 1. Jänner dürfte die Polizei ein Auge auf kleine Städtchen wie Melton Mowbray haben, nachdem es bereits vor einem Jahr vereinzelt zu Schlägereien kam.

(Bild: AFP)

Auf den ersten Blick ist der Streit erstaunlich. Die Hetzjagd auf lebende Tiere ist seit 2005 in England und Wales verboten, in Schottland schon etwas länger. Statt einem Fuchs rast die Meute nun einer Geruchsspur hinterher. „Die Jagd findet in Übereinstimmung mit dem Gesetz statt und bietet Sport für Menschen, die ihn mit ihren Pferden genießen wollen“, betonte Sue Simmons, „Master of the Hunt“ im nordwestenglischen Pleasington.

Forderung nach Verschärfung des Jagdgesetzes
Doch Tierschützer glauben dem nicht. Sie werfen den Jägern vor, die „Trail Hunts“ zu missbrauchen, um unter dem Deckmantel der Legalität doch echte Füchse und Hasen zu jagen. Bei der Jagd auf künstliche Spuren würden die Hunde häufig vom Duft lebender Tiere abgelenkt und hetzten dann diese zu Tode. „Barbarisch“ und „sadistisch“ sei die Tradition, ein „Blutsport“. Am Rande der „hunts“ an Weihnachten forderten Demonstranten, die Regierung solle das Jagdgesetz verschärfen, wegen dem es bereits Hunderte Verurteilungen gab.

(Bild: AFP)

Allein innerhalb von fünf Wochen im November und Dezember zählte die Organisation League Against Cruel Sports insgesamt 303 Verstöße gegen die Vorschriften. Die Zahlen zeigten die negativen Auswirkungen der Jagd auf ländliche Gemeinden, sagte Emma Judd von der „Liga gegen grausame Sportarten“, wie sich die Organisation auf Deutsch übersetzen lässt. „Nur durch eine Stärkung des Jagdrechts können Gemeinschaften, Wildtiere und ländliche Werte geschützt werden.“

Befürworter: „Jagden spielen wichtige Rolle im Landleben“
Die Befürworter halten dagegen. Es gebe nur wenige Vorfälle, heißt es von der Countryside Alliance, die den „Landsport“ unterstützt. Vielmehr böten die „hunts“ dörflichen Gemeinden viele Vorteile: Cafés, Pubs und Läden hätten mehr Gäste, und der regionale Handel werde belebt, wenn Zehntausende in verschlafene Dörfer kommen. „Die Jagden spielen eine wichtige Rolle im Landleben“, sagte Polly Portwin von der Alliance. Es sei zudem eine Möglichkeit für soziale Treffen. Die konservative Zeitung „Telegraph“ kommentierte: „Unsere Spezies hat schon immer gejagt, und das Wissen über Landschaft, Wetter und Tierwelt ist für diejenigen, die heute jagen, genauso wichtig wie für entfernte Vorfahren.“

Ein Freizeitvergnügen der Oberschicht
Die Debatte ist auch deshalb so emotional, weil der Konflikt weitgehend entlang der Parteilinien verläuft. Allzu viele Jäger gibt es nicht, zumal es sich - allein aufgrund des Unterhalts für Hunde und Pferde - oft vor allem um ein Freizeitvergnügen der Oberschicht handelt. Doch diese Oberschicht wählt in der Regel konservativ, zudem taugen die Rotberockten den Tories als Symbol britischer Traditionen, die es zu verteidigen gilt. Auf der anderen Seite verspricht die Oppositionspartei Labour, sie werde „Schlupflöcher“ im Jagdrecht stopfen, sollte sie an die Regierung kommen.

Derzeit scheinen aber die Jagdbefürworter im Vorteil. Ein neues Tierschutzgesetz kommt im Parlament nicht voran. Neuen Rückenwind haben die Jäger zudem von Anwalt Daniel Greenberg erhalten, der vor bald 20 Jahren das Jagdgesetz entwarf. „Ich hatte das Gefühl, dass das Gesetz eher von einem moralischen Empörungswinkel als vom Tierschutz getrieben wurde“, sagte Greenberg kürzlich dem „Telegraph“. Es zeige nicht genug Respekt gegenüber „kulturellen Meinungen“ oder Traditionen der Minderheit.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele