„Krone“-Interview

Mattle über Chats: „Das ist nicht meine Art“

Tirol
26.08.2022 06:00

Trotz wahrscheinlich hoher Verluste ist er der aussichtsreichste Kandidat auf den Landeshauptmann in Tirol: Anton Mattle (ÖVP) im „Krone“-Interview über seine Rolle und seine Einstellung zu Chats.

Er ist zwar nicht der amtierende Landeshauptmann von Tirol, er hat aber realistische Chancen, es zu werden. Am 25. September wählt Tirol - und die Ära von Günther Platter geht zu Ende. Der bis vor wenigen Wochen relativ unbekannte Anton Mattle muss die schwer krisengebeutelte ÖVP als Spitzenkandidat in die Tirol-Wahl führen und den Landeshauptmannposten verteidigen. Das wird er zwar aller Wahrscheinlichkeit nach schaffen, aber die Umfragen sagen ihm herbe Verluste voraus.

„Krone“: Herr Mattle, Sie verwenden gerne salbungsvolle Worte. Fast hat man das Gefühl, an Ihnen ist ein Priester verloren gegangen. War das ein Berufswunsch?
Anton Mattle: Nein. Aber ich habe ein christlich-soziales Wertefundament und setze auf das Miteinander.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat in einem „Krone“-Interview die „Überprüfung der Sanktionen“ gefordert. Sie haben ihm den Rücken gestärkt. Ihr Parteikollege Othmar Karas ermahnt Sie nun, dass Europa vor der Geschichte bestehen muss - und nicht vor der nächsten Wahl ...
Es war für mich schon ärgerlich, dass mein Zitat sehr verkürzt dargestellt wurde. Ich habe gesagt, dass ich für den Vorschlag grundsätzlich offen bin. Allerdings müssen die Sanktionen auf europäischer Ebene auf ihre Treffsicherheit überprüft werden. Ich habe nie gesagt, ob sie nach oben oder nach unten angepasst werden sollen. Zudem habe ich betont, dass sich die EU in dieser Frage nicht auseinanderdividieren lassen darf.

Also alles ein Missverständnis? Sie sind mit der Wirkung der Sanktionen zufrieden?
Man sieht, dass die Sanktionen durchaus Wirkung zeigen und Russland unter Druck bringen. Natürlich stellt sich die Frage, ob die Sanktionen zu Frieden führen werden. Aber wir können nicht einfach zuschauen, wenn ein Aggressor über ein europäisches Land herfällt.

Kommen wir zur Wahl. Sie rechnen damit, dass Sie unter 30 Prozent liegen werden. Klingt nach Selbstaufgabe ...
Ich habe die Partei bei 29 Prozent übernommen. Wenn ich unterwegs bin, dann habe ich das Gefühl, dass die Zustimmung steigt und wir deutlich über 30 Prozent erreichen werden.

Wenn die Umfragewerte suboptimal sind, warum kandidieren Sie dann als Anton Mattle am Stimmzettel? Oder ist die Marke ÖVP das noch schlechtere Zugpferd?
Die Tirolerinnen und Tiroler sollen wissen, welche Partei sie in den Landtag und wen sie zum Landeshauptmann wählen. Auf dem Stimmzettel steht „Anton Mattle Tiroler Volkspartei“. Wer mich kennt, der weiß, in welcher Partei ich zu Hause bin.

Was passiert denn, wenn nur ein Zweier vor dem Ergebnis steht? Das würde bedeuten, dass die ÖVP ein Drittel der Stimmen verloren hat. Gibt es dann am 26.9. den Anton Mattle noch?
Der Anton Mattle ist keiner, der davonläuft, wenn es schwierig wird. Und ich bin es gewohnt, Verantwortung zu tragen. Jetzt versuche ich, die Menschen zu überzeugen, damit sie überhaupt wählen gehen.

Sie sitzen im Aufsichtsrat der Tiwag. Nach der Wahl müssen Sie diesen Sitz abgeben. Man fragt sich: Für wen halten Sie den Platz frei? Ist das nicht das typische Modell des türkisen Postenschachers?
Die Tiwag ist zu 100 Prozent im Eigentum der Tirolerinnen und Tiroler, deshalb sollen die Verantwortungsträger hier auch die entsprechende Expertise und Gestaltungskraft einbringen können.

Die Gerüchteküche brodelt, dass nach der Wahl Platter diese Position einnehmen wird ...
Darüber haben wir nicht gesprochen.

Kommen wir zur Teuerung: Die Regierung hat viele Pakete beschlossen, trotzdem haben die Menschen das Gefühl, von der Regierung im Stich gelassen zu werden. Welche Fehler wurden hier gemacht?
Vielleicht ist es die Fülle der Einzelmaßnahmen, die das System undurchsichtig und unübersichtlich macht. Denn auch die Bewertung der Agenda Austria kommt zu dem Ergebnis, dass die unteren 20 Prozent auf der Einkommensleiter sehr wohl mit den Maßnahmen erreicht werden. Aber die Kommunikation muss noch besser werden. Ein Beispiel: In Tirol haben wir den Heizkostenzuschuss um den Energiekostenzuschuss erweitert. Den Energiekostenzuschuss bekommt man, wenn man bis zu 1900 Euro verdient. Allerdings sind bis jetzt kaum Anträge gestellt worden. Da liegt Geld, das einfach nicht abgeholt wird.

Nächste Woche wird die Strompreisbremse präsentiert. Die Gaspreise explodieren gerade. Braucht es auch noch eine Gaspreisbremse?
Generell muss vor allem die EU in die Gänge kommen - sowohl beim gemeinsamen Gaseinkauf als auch beim gemeinsamen Gaspreisdeckel. Gas ist der Treiber beim Strompreis. Leider wird es vermutlich bis März dauern, bis die EU den gemeinsamen Einkauf organisieren kann. Wenn Gas preislich explodiert, dann muss man darauf reagieren. Für die Tigas-Kunden ist der Gaspreis, der zwar heuer bereits um 60 Prozent angehoben werden musste, bis 1. Juli 2023 fixiert. Es wird hier in den nächsten zehn Monaten keine weiteren Preiserhöhungen geben.

Es herrscht eine Krise des Vertrauens in die Regierung, sie rangiert beim Vertrauensindex auf dem letzten Platz. Wie viel Anteil haben die Skandale und die Chats der ÖVP an diesem kritischen Zustand?
Bei der Vertrauenskrise nehme ich alle Parteien in die Pflicht. Bei den Chats hingegen geht es darum, wie man miteinander umgeht. Das sind Dinge, die man auf meinem Handy nicht finden wird. Wenn ich mit jemandem nicht zurechtkomme, spreche ich das mit ihm persönlich aus.

Über Anton Mattles Rolle

Der Rückzug von Landeshauptmann Günther Platter war ebenso überraschend wie die Tatsache, dass Anton Mattle die ÖVP in Tirol übernimmt. Am 25.9. wählt Tirol. Was Krisen sind, weiß Mattle: Von 1992 bis 2021 bekleidete er das Amt des Bürgermeisters in Galtür, wo er während der Lawinenkatastrophe im Februar 1999 voll im Einsatz war. Der 59-Jährige wurde erst im Mai 2021 Wirtschaftslandesrat.

Und wenn Sie sich über die SPÖ ärgern, würden Sie auch nicht vom „roten Gesindel“ schreiben?
Das ist nicht meine Art.

Ein streitbarer ÖVPler ist Franz Hörl. In Wien gilt er als der Seilbahnen-Lobbyist, der mit seinen oft skurrilen Aussagen für alles Negative am Tiroler Tourismus steht. Werden Sie ihn in den Griff bekommen?
Franz Hörl ist ein herzensguter Mensch, der sich für seine Leute einsetzt. Er vertritt seine Sparte, ich habe die ganze Bandbreite abzudecken, deswegen haben wir bei einigen Themen einen differenzierten Zugang.

Das heißt, Sie sind öfters nicht auf einer Linie mit ihm.
Das Gute an Franz Hörl ist, dass man Dinge ausdiskutieren kann, wenn nötig auch lautstark.

Wird Nehammer der nächste ÖVP-Spitzenkandidat?
Ja.

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