Trotz tiefer Narben

Opfer (46) vergibt Täter nach Attacke mit Machete

Vorarlberg
31.07.2022 09:25

Auf Markus Hofstätter aus Bregenz ging im April sein Nachbar mit einer Machete los, dabei wurde er schwer verletzt. Mit der „Krone“ spricht Hofstätter nun über innere und äußere Narben.

„Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und hoffe, dass Sie nicht zu lange in Haft müssen. Denn das ist ein schlechter Ort, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen." Versöhnliche und gleichzeitig außergewöhnliche Worte eines Opfers an seinen Peiniger. Es sind die Worte von Markus Hofstätter aus Bregenz, die im Schöffenprozess am vergangenen Dienstag in Feldkirch für einen Gänsehautmoment sorgten.

Wie kann man jemandem so wohlwollend gegenübertreten, der einen drei Monate zuvor mit einer Machete beinahe umgebracht hat? Ich treffe mich mit Hofstätter in der „Wunderbar“ in der Bregenzer Innenstadt. „Es ist ein sonniger Tag. Gut fürs Gemüt“, sagt der 46-Jährige und zieht dabei sein Basecap etwas tiefer in die Stirn.

„Ich lebe - das ist das Wichtigste“
Er lächelt, gibt sich lässig. Doch als sein Gegenüber glaube ich, eine gewisse Unsicherheit bei ihm zu spüren. Unsicherheit in Bezug auf sein entstelltes Gesicht und die Reaktion Außenstehender darauf. Was für mich auch die Sache mit dem Herunterziehen der Kappe erklärt. Aber falsch gedacht, denn vor mir sitzt kein gebrochener Mann, der mit seinem Schicksal hadert, sondern einer, der diesem trotzt und den Blick nach vorne richtet. Er sagt: „Jetzt hob i des halt. I leab. Des isch des Wichtigschte.“

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Müsste ich wieder bei jemanden wegen einer Beschwerde oder Bitte vorstellig werden und einmal an einer Wohnungstür in Bregenz Vorkloster anklopfen – ich würde wohl vorher die Polizei alarmieren...

Markus Hofstätter

Doch wie kam es überhaupt zu der tiefen Narbe in seinem Gesicht? Es ist der 19. April 2022: Opfer und Täter wohnen im selben Haus, in der Südtiroler Siedlung in Bregenz. Beide kennen sich nur flüchtig, man grüßt einander. Der Täter, ein 38-jähriger Alkoholiker, dreht an jenem Tag die Musik in der Wohnung des Mehrparteienhauses volle Kanne auf. Als um 22 Uhr immer noch nicht Ruhe ist, reicht es Hofstätter, der einen Stock tiefer wohnt. Er wird vorstellig. „Ich wollte ihn einfach bitten, die Musik auf Zimmerlautstärke runterzudrehen.“

Attacke aus dem Nichts
Doch dazu kommt er gar nicht, weil ihm der 38-jährige Krawallmacher unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und in weiterer Folge eine Machete über den Kopf zieht. Die Folge des feigen Messerangriffs: Ein mehrfach gebrochenes Jochbein, durchtrennte Nervenstränge und eine klaffende, zehn Zentimeter lange Fleischwunde auf der linken Gesichtshälfte. „Ich glaube, in dem Moment schaltete mein ganzer Körper auf Notaggregat, weil ich nicht einmal Schmerz verspürte. Es war nur überall Blut. Da dachte ich, nichts wie weg!“, erinnert sich das Opfer. Nachbarn alarmieren schließlich Rettung und Polizei.

Während er ins Spital eingeliefert wird, stürmt die Cobra die Wohnung des Täters und nimmt diesen fest. Zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wird der 38-Jährige schließlich verurteilt. Drei Monate sind seit dem brutalen Angriff vergangen. Dazwischen liegen Operationen, unsägliche Schmerzen, Psychotherapie und die Frage nach dem Warum. „Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, viele philosophische Bücher gelesen. Letztlich bleibt einem nichts anderes übrig, als das Schicksal so anzunehmen, wie es ist. Und so darf ich beim Blick in den Spiegel nicht mit meiner Narbe hadern.“

Ja zum Leben sagen
Auch nicht damit, dass sein Gesicht wegen der durchtrennten Nervenstränge teilweise asymmetrisch wirken wird. Hofstätter signalisiert mit diesem Statement ein klares Ja zum Leben, auch wenn ihn immer noch Alpträume plagen - vom Nachbarn mit der Machete in der Hand. „Das ist nicht immer leicht. Aber ich arbeite an meiner Resilienz.“ Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb er die Entschuldigung des Täters für das, was er ihm angetan hat, im Gerichtssaal annehmen konnte. „Ich hege weder Hass noch Groll gegen ihn. Ich habe ihm einfach verziehen.“ Chapeau.

Chantal Dorn
Chantal Dorn
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