Historische Wende
Wehrpflicht in Deutschland nach 55 Jahren beendet
Die Wehrpflicht war in der Bundesrepublik im Juli 1956 per Gesetz eingeführt worden. Die ersten 10.000 Wehrpflichtigen wurden mit 1. April 1957 eingezogen. Seitdem haben allein in Westdeutschland insgesamt 8,3 Millionen junge Männer ihren Pflichtdienst geleistet. In der DDR wurde die Wehrpflicht 1962 Gesetz. Bei der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde die Nationale Volksarmee (NVA) aufgelöst, die bisherigen westdeutschen Regelungen galten nun auch für die ehemaligen DDR-Bürger.
Wehrpflicht weiterhin in der Verfassung verankert
Die letzten 12.000 Wehrpflichtigen waren mit 3. Jänner des heurigen Jahres einberufen worden. Ihre sechsmonatige Dienstzeit hat am Donnerstag geendet. Die Wehrpflicht bleibt allerdings in der Verfassung verankert und kann bei Bedarf mit einfacher Mehrheit von Bundestag und Bundesrat wieder eingeführt werden.
De Maiziere will am Montag die ersten freiwillig Wehrdienstleistenden in Berlin begrüßen. Ihr Dienst wird bis zu 23 Monate dauern und mit 777 bis 1.146 Euro monatlich vergütet. Hinzu kommen weitere Leistungen wie Unterkunft, Verpflegung, ärztliche Versorgung oder Sozialversicherungsbeiträge. Der Minister setzt darauf, dass künftig mindestens 5.000 Freiwillige der Bundeswehr angehören werden. Geplant ist, die Armee von 230.000 Soldaten auf 175.000 – davon 170.000 Zeit- und Berufssoldaten - zu verkleinern.
Für den Zivildienst-Ersatz kalkuliert das Familienministerium optimistisch: Es geht von 35.000 sogenannten Bufdis - Bundesfreiwilligendienstleistenden - bereits im kommenden Jahr aus. Der Einsatz soll in der Regel zwölf, mindestens aber sechs und höchstens 24 Monate dauern. Ab 1. Juli werden allerdings erst 2.000 bis 3.000 Frauen und Männer eingestellt. Die Wohlfahrtsverbände, die bisher die meisten Zivildienst-Plätze angeboten hatten, äußerten sich bereits besorgt.
"Völlige Veränderung des Charakters der Bundeswehr"
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, sagte, die Aussetzung der Wehrpflicht bedeute eine "völlige Veränderung des Charakters der Bundeswehr". Niemand müsse sich mehr zwangsläufig mit der Truppe befassen. Königshaus tritt für ein Bündel von Maßnahmen ein, um die Attraktivität des Dienstes zu verstärken. Mit den bisherigen Bewerberzahlen zeigte er sich zufrieden: "Wir sehen, dass die ursprünglichen pessimistischen Annahmen in dieser gravierenden Form offenbar nicht Realität geworden sind."
Der Wehrbeauftragte zeigte sich auch offen für die Aufnahme von in Deutschland lebenden Ausländern in die Bundeswehr. Für Bewerber ohne deutschen Pass müsste es dann allerdings auch "eine vereinfachte Möglichkeit der Einbürgerung" geben. Die Gefahr einer Entwicklung der Bundeswehr zu einer "Unterschichtenarmee" nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sieht Königshaus nicht. "Wir haben zurzeit die am besten gebildete und ausgebildete Armee der Welt", sagte er. Die Bundeswehr biete Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten, die es woanders nicht gebe - deswegen sehe er "die Gefahr einer Verrohung nicht".
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