Der Pflegerin schwante Übles. Sie sah die Pistole in der Hand ihres betagten Schützlings. Rief panisch die Tochter des 83-Jährigen an. Diese telefonierte mit dem Vater, der sagte: „Kümmer dich um die Katzen, ich will zur Mama gehen.“ Dann fiel der tödliche Schuss. Wie der bettlägerige Pflegefall zur Waffe kam, war Thema am Donnerstag im Prozess am Landesgericht für Strafsachen in Wien.
Angeklagt ist der beste Freund des Toten, fast auf den Tag genau 82 Jahre alt. Seit Jahrzehnten sind sie einander verbunden. Herr R. hat das Sterben der Frau des Freundes miterlebt, ihn durch dessen Traurigkeit getragen, sagt aber, dass er zum Schluss „klar und nicht mehr depressiv“ war.
Das Verbrechen der Mitwirkung an der Selbsttötung nach §78 des Strafgesetzbuches wirft ihm der Staatsanwalt vor. Denn die todbringende Waffe war in einem Tresor versperrt, nur die Tochter hatte den Schlüssel. Der Angeklagte hatte einen Schlosser gerufen, um den Tresor öffnen zu lassen – eine Prozedur über sechs Stunden, in der Herr R. und die Pflegerin im Nebenzimmer waren. Für Straffreiheit fehle auch nach dem neuen Gesetz die ärztliche Aufklärung.
„Nicht schuldig“, sei er, der Pensionist. Der Freund hätte ihn um den „Gefallen mit dem Tresor“ gebeten, weil er die Waffen verkaufen wollte. Und sein gesamtes Bargeld darin war: „Würde mich meine Tochter von meinem Geld wegsperren, wär sie enterbt.“ Im anderen Zimmer mit der Pflegerin sei er gewesen, weil sein Freund „nicht wollte, dass da jemand zuschaut.“
„Er konnte nicht aufstehen und weggehen“
Wobei, ist das Thema im Prozess in Wien. Denn die Pflegerin erzählt unter Weinkrämpfen vom Getuschel unter den Freunden. Dem fast hastigen Abgang des Angeklagten. Und die Entdeckung, dass der bettlägerige Pflegling plötzlich die Pistole im Bett hatte: „Er konnte nicht aufstehen und weggehen.“ Nicht einmal den knappen Meter zum Tresor mit vorhandenem Rollator. Dem widerspricht der Angeklagte Herr R.: „Er hatte einen jungen Therapeuten, der mit ihm turnte!“
Ich glaube ja, dass er irgendwie vom Bett zur Waffe gekommen ist. Er hat mir stolz gesagt, dass er dank der Physio stehen kann.
Der Angeklagte
In ihrer Vorahnung rief die Pflegerin die Tochter ihres Schützlings an. Und während dieses Telefonates, so die Tochter zu Richterin Sonja Weis, fiel der Schuss. Der Vater war tot. Als sie kurz zuvor mit ihm noch telefoniert hatte, sagte er zu ihr: „Kümmere dich um die Katzis, ich mag zur Mama gehen.“ Für die Tochter war er seit längerem depressiv, wegen des Todes seiner Frau, mit der er 60 Jahre lang verheiratet war, aber auch wegen seiner Immobilität: „Er war Geschäftsmann und viel unter Leuten.“
Richterin Weis vertagte. Zwar gibt es keine Fingerabdrücke des Angeklagten auf der Waffe, aber der Therapeut soll über den möglichen Bewegungsradius des Toten berichten.
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