Die „Krone“ hilft mit

Gruft: „Jetzt beginnt die härteste Zeit im Jahr“

Wien
05.12.2021 06:00

Seit mehr als 30 Jahren bietet die Gruft in Wien Menschen, die auf der Straßen leben, einen sicheren Zufluchtsort und menschliche Wärme. Die „Krone“ durfte einen Tag hinter die Kulissen blicken.

Nur ein paar Schritte von der belebten Mariahilfer Straße entfernt, auf der sich sonst gerade alle in den Weihnachtstrubel stürzen würden, befindet sich in der Barnabitengasse 12a die wohl bekannteste Obdachloseneinrichtung Wiens: die Gruft. Die „Krone“ hat den freiwilligen Helfern nicht nur einen Blick über die Schulter geworfen, sondern auch selbst mit angepackt.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei einer Gruft eigentlich um einen Platz, der nicht für die Lebenden gedacht ist. Tatsächlich herrscht hier um diese Zeit jedoch ein reges Kommen und Gehen. Betroffene erhalten ein warmes Essen, einen Platz zum Schlafen, saubere Kleidung und die Möglichkeit zu duschen. Das Team vor Ort unterstützt die obdachlosen Menschen aber auch dabei, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen.

Obdachlos zu sein bedeutet in diesen turbulenten Zeiten viel mehr als „nur“ kein Dach über dem Kopf zu haben. Wer ohne fixe Bleibe ist, kämpft mit Nässe, Kälte, Ablehnung und Hunger und womöglich mit der Gefahr, gefragt zu werden, warum man trotz Ausgangsbeschränkungen gerade draußen unterwegs ist.

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Die Pandemie ist ein zusätzlicher Stresstest und bedeutet körperlichen und psychischen Ausnahmezustand.

Klaus Schwertner

„Für obdachlose Menschen beginnt jetzt die härteste Zeit des Jahres. Die Pandemie ist ein zusätzlicher Stresstest und bedeutet körperlichen und psychischen Ausnahmezustand. Daher gibt es jetzt im Winter mehr Notquartiersbetten, mehr Streetworkteams, mehr Hilfe“, sagt Klaus Schwertner, Caritasdirektor der Erzdiözese Wien.

Ein Ort der gelebten Nächstenliebe
Judith Hartweger leitet seit mittlerweile elf Jahren die Notunterkunft und ist so etwas wie die gute Seele des Hauses. Sie hat hier schon viel gesehen und erlebt.

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Einer der emotionalsten Momente war sicherlich, als ein ehemaliger Klient wieder vor der Tür gestanden ist und uns einen Besuch abgestattet hat. Er stand da mit Frau, Kind und Hund und hat uns sozusagen gezeigt: Seht her, ich hab's geschafft!

Judith Hartweger

Auch sie berichtet uns, dass der Lockdown die gesamte Einrichtung vor Herausforderungen stellt. „Der Lockdown ist eine sehr schwere Zeit für uns. Die Leute purzeln ja weiterhin herein. Wir sind die erste Anlaufstelle.“

Notschlafstelle und Tageszentrum
Neben dem Tageszentrum gibt es auch eine Notschlafstelle, die täglich ab 21 Uhr bis 7.30 Uhr geöffnet ist. Jeder hier hat seine eigene Geschichte und verschiedene Gründe, warum er in der Obdachlosigkeit gelandet ist.

Kein Mensch ist freiwillig auf der Straße, und schon gar nicht um diese Jahreszeit. Deshalb versuchen die Sozialarbeit der Caritas Wien auch, mit Menschen in Kontakt zu treten, denen es schwerfällt, Unterstützung anzunehmen. Die Menschen erhalten wärmende Kleidung, Decken und Schlafsäcke direkt auf der Straße. Nur auf Wunsch wird nachts ein Notquartiersplatz organisiert. Niemand wird gegen seinen Willen von der Straße geholt. Als wir mit unserem Einsatz fertig sind, stehen schon die nächsten Besucher in der Warteschlange und fragen nach frischer Kleidung und dem wichtigsten Utensil bei den Temperaturen: dem Schlafsack.

„Ich möchte etwas zurückgeben, das ist mir ein Bedürfnis!“
Als uns Birgit (55) ihre Geschichte erzählt, schneidet sie gerade die Zwiebel für das Mittagessen. Sie ist eine ehemalige Klientin und war vor sieben Jahren selbst tägliche Besucherin der Gruft. „Ich stand kurz vor der Delogierung, habe ein Jahr in einer dunklen, kalten Wohnung geschlafen. So etwas möchte ich nie mehr erleben, ich war fertig mit den Nerven. Wenn ich die Gruft nicht gehabt hätte - ich weiß nicht, wie ich das sonst geschafft hätte. Ich bin einfach froh, dass ich etwas zurückgeben kann.“

Mit der Hilfe einer Sozialarbeiterin hat sie es dann geschafft, nicht auf der Straße zu landen. Herr Morsi (55) ist eigentlich schon in Pension, will aber noch immer aktiv sein und arbeitet deswegen noch sehr regelmäßig mit. Auch er ist ein ehemaliger Klient, konnte aber erfolgreich in eine eigene Wohnung vermittelt werden.

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