Ministerin dagegen

Vakzin-Patentfreigabe: Druck auf Schramböck steigt

Politik
26.11.2021 15:01

Vor dem Hintergrund von Berichten über eine neue Virusmutation im südlichen Afrika steigt der Druck auf Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), einer weltweiten Freigabe von Impfstoffpatenten zuzustimmen. Bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) stehe kommende Woche „eine entscheidende Weichenstellung“ bevor, sagte Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Freitag in einem Online-Pressegespräch. Dabei müsse die Ministerin „Rechenschaft leisten“, so der Experte.

Von der WTO-Konferenz kommende Woche hänge ab, ob die Pandemie verlängert oder verkürzt werde, sagte Bachmann, Logistikexperte mit jahrelanger Erfahrung in der Pharmaindustrie. Mit dem Nein zu einer Patentfreigabe gebe man dem Coronavirus „einen Vorsprung“. „Wir können, wenn wir das Infektionsgeschehen weltweit auf einem so hohen Level weiterlaufen lassen, es nur als eine Frage der Zeit betrachten, bis sich eine neue Variante durchsetzen wird“, die ansteckender und tödlicher sei, mahnte der MSF-Experte. „Wir können es uns nicht länger leisten, dem Virus so eine große Chance zu geben.“

„Schramböck muss sich der Tragweite dieser Entscheidungen bewusst sein und sie muss auch dafür Rechenschaft leisten“, sagte Bachmann. Er argumentierte nicht nur mit dem menschlichen Leid. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch die Pandemie würden die Gewinne der Pharmaindustrie „um ein Vielfaches“ übersteigen, so Bachmann. Mit ihrer ablehnenden Haltung vertrete die ÖVP-Politikerin „vorrangig die Interessen einer Branche, der Pharmaindustrie“ und komme ihrer „gesamtpolitischen Verantwortung kaum nach“.

Laut Schramböck und Pharmafirmen „Verteilungsproblem“
Schramböck argumentierte vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen am 11. November ihr Nein folgendermaßen: „Es ist kein Problem der Produktion, es wird genügend Impfstoff produziert, es ist ein Problem der Verteilung.“ Ihr sprang am Freitag die Pharmaindustrie bei und sprach ebenfalls von einem Verteilungsproblem.

Laut Bachmann gibt es aber weiterhin eine „Produktionslücke“ bei den Impfstoffen. Zugleich sei der Bedarf an Impfstoffen in den entwickelten Staaten jüngst „explosionsartig gestiegen“, weil die Intervalle für Booster-Impfungen verkürzt und auch Kinder-Impfungen erlaubt worden seien. Die von Südafrika bereits vor über einem Jahr beantragte Patentaufhebung soll die Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und auch Ausrüstung erleichtern. Die Entscheidung darüber wurde aber bereits acht Mal vertagt.

Der MSF-Experte kritisierte auch, dass die reicheren Staaten ihre Spendenzusagen bisher nicht annähernd erfüllt hätten. Die Europäische Union habe von 100 Millionen Dosen bisher gerade einmal zehn Millionen tatsächlich gespendet.

Merkels Nein zu Freigabe „weitreichendste Fehlentscheidung“
Bachmann sieht den Zug für eine Haltungsänderung Schramböcks noch nicht abgefahren und hofft diesbezüglich auf ein Vorbereitungstreffen der EU-Minister am Montag in Genf. Innerhalb der Europäischen Union gebe es Bewegung. Schramböck würde mit einem Ja keineswegs alleine dastehen, verwies er konkret auf die positive Haltung von Frankreich, Italien, Spanien, Polen oder Dänemark. Keine Bewegung gebe es bisher nur bei Deutschland und der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Nein zur Impfstoff-Freigabe sei „eine der weitreichendsten Fehlentscheidungen, die sie in den 16 Jahren Regierung getroffen hat“, so Bachmann.

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