Alzheimer-Verlauf

Neue Erkenntnisse könnten Früherkennung verbessern

Wissenschaft
30.10.2021 15:30

Wissenschaftler der University of Cambridge haben neue Erkenntnisse zum Verlauf der Gehirn-Erkrankung Alzheimer gewonnen. Sie entdeckten, dass sich toxische Protein-Ansammlungen im Gehirn, die für den kognitiven Abbau verantwortlich gemacht werden, schon früh ausbreiten und über Jahrzehnte anreichern. Die Ergebnisse könnten die Erforschung von Behandlungsmethoden bedeutend voranbringen.

Zwei Proteine namens Tau und Beta-Amyloid werden schon länger mit Alzheimer in Verbindung gebracht. Die beiden Proteine verbreiten sich im Gehirn und bilden sogenannte Aggregate, die zum Absterben von Gehirnzellen und zur Schrumpfung des Gehirns führen. Dies wiederum führt zu Gedächtnisverlust, Persönlichkeitsveränderungen und weiteren Symptomen der Krankheit.

Keine Kettenreaktion
Bisher gingen die Forscher jedoch davon aus, dass sich Ansammlungen dieser Proteine in einer Gehirnregion bilden und dann ähnlich wie Krebs auf andere ausbreiten. Dies wurde vor allem bei Mäusen beobachtet. Die neue Studie basiert auf Untersuchungen der Ausbreitung von Tau-Proteinen bei Menschen und legt einen anderen Verlauf nahe, wonach die Ausbreitung von Gehirnregion zu Gehirnregion zwar vorkommt, aber nicht maßgeblich ist.

„Sobald wir Keimzellen haben, kleine Aggregate im ganzen Gehirn, vermehren sie sich einfach“, erklärte der an der Studie beteiligte Wissenschaftler Georg Meisl. Es bietet sich ein Vergleich mit dem Coronavirus an: Zu Beginn der Pandemie erwiesen sich Reiseverbote als unwirksam, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, weil es sich bereits innerhalb der Länder verbreitete, die versuchten, es draußen zu halten.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher knapp 400 postmortale Gehirnproben von Alzheimer-Patienten sowie 100 Positronen-Emissions-Tomographie-Scans von Menschen, die mit der Krankheit leben. Es ist das erste Mal, dass Forscher anhand von Humandaten die Geschwindigkeit der molekularen Prozesse von Alzheimer näher bestimmen konnten.

Forscher wollen Ausbruch „erheblich verzögern“
Die Untersuchungen ergaben, dass es rund fünf Jahre dauert, bis sich die Anzahl der Tau-Aggregate im Gehirn verdoppelt. Das sei „ermutigend“, sagt Meisl, denn es zeige, dass die Neuronen des Gehirns bereits gut darin sind, den Aggregaten entgegenzuwirken. „Wenn wir es nur ein kleines bisschen besser machen können, können wir vielleicht den Ausbruch einer schweren Krankheit erheblich verzögern.“

Den Forschern zufolge dauert es von den ersten leichten Symptomen an etwa 35 Jahre bis zum Endstadium der Krankheit. Wenn sich die Tau-Aggregate innerhalb von fünf Jahren ungefähr verdoppeln, erhöht sich ihre Anzahl innerhalb von 35 Jahren um das 128-fache. Dieses exponentielle Wachstum „erklärt, warum es so lange dauert, bis sich die Krankheit entwickelt, und warum es den Betroffenen dann recht schnell schlechter geht“, sagt Meisl.

Die Erkenntnisse könnten auch bei der Entwicklung von Behandlungsmethoden anderer Demenzerkrankungen oder traumatischer Hirnverletzungen helfen. „Tau ist bei einer Reihe von Demenzerkrankungen das verantwortliche Protein“, erklärt Sara Imarisio von Alzheimer‘s Research UK. „Wir hoffen, dass diese und ähnliche Studien zur Entwicklung zukünftiger Behandlungen, die auf Tau abzielen, dazu beitragen werden, die Krankheitsprozesse selbst zu verlangsamen.“

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