Streit um Störfeuer

Harte Bandagen im Ibiza-Ausschuss: WKStA gegen ÖVP

Politik
25.05.2021 21:53

Tag eins in der Hofburg nach der Mahnung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Anfangs zeigten sich die Beteiligten gemäßigt. Bei der Aussage des Oberstaatsanwaltes gingen die Emotionen am Dienstag wieder hoch. Der Korruptionsermittler wundert sich über „Störfeuer“ und vor allem über Interventionen bei den Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Die Schelte von höchster politischer Ebene zeigte offenbar Wirkung. Wer hätte das gedacht? Zumindest über weite Strecken des Befragungstages in der Hofburg hielten sich die Parlamentarier am Dienstag an die Worte des Bundespräsidenten, der vor Kurzem alle Seiten zu einem anderen, angenehmeren Umgang miteinander und Auskunftspersonen gegenüber gemahnt hatte und freilich auch Attacken auf den Rechtsstaat verurteilte. Ruhiger und besonnener im Ton erörterten die Parteien die emotionalen Themen. Dennoch hart in der Sache. Vor allem Türkis wurde vonseiten der Opposition, aber auch von den Grünen, bedrängt.

Kurz gesagt ging es am Dienstag um die Justiz. Dabei ging es um viel mehr, und es gab viel zu sagen. Überraschend vor allem die deutliche Offensive des Oberstaatsanwalts Matthias Purkart von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der von türkisen „Störfeuern“ sprach und sich diesbezüglich vor allem über Dienstaufsichtsbeschwerden gegen seine Behörde mokierte, die die ohnehin schon schwierigen und komplexen Ermittlungen erschwerten und verzögerten.

Es geht um die Verständigung von Ermittlungen an Beschuldigte. 27 Mal habe man das immer - gesetzeskonform - gleich gemacht und hunderte Male Akteneinsicht gewährt, sprach der Staatsanwalt. Warum das Vorgehen nun beim 28. Mal infrage gestellt wurde und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlangte, dazu „fällt mir kein Grund ein.“

Fest steht, das 28. Mal betraf die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen Verdachts auf Falschaussage bei seinem Auftritt vor dem Ausschuss. Ein Politikum seither, das die Spannungen auch in der Koalition verschärft. Die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) langte am Freitag ein. „Die Akteneinsichtsmöglichkeiten entsprechen jahrelanger Übung, die Rechtsprechung ist entsprechend“, sagte Purkart.

Er hätte sich gewünscht, dass man die WKStA einfach inhaltlich fragen hätte sollen. „Diese Fehlersuche, das stört mich“, sagte der Jurist, der angab, mit Weisungen oder Nachfragen keine Probleme zu haben. Dass nun der WKStA seit Freitag eine Verletzung der Dienstpflichten vorgeworfen werde, bedeute, dass man sich mit seiner eigenen Verteidigung beschäftigen müsse. Das koste wieder wertvolle Zeit. Vor allem dem Ausschuss läuft sie davon.

Hunderttausende Chats in der Warteschleife
Es harren noch Hunderttausende Chats ihrer Auswertung, Mitte Juli ist die politische Aufarbeitung zur „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“, wie der Ibiza-Ausschuss offiziell-sperrig heißt, vorüber. Ein Großteil der Auswertungen der WKStA wird definitiv nicht mehr rechtzeitig im Ausschuss landen, zumal es zahlreiche Verzögerungen gibt (Stichwort Blümels Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium und Exekutionsdrohung Van der Bellens).

Auch knapp 100.000 Chats von Ibiza-Auslöser Heinz-Christian Strache mit anderen Blauen sind noch unberührt - wer weiß, was da noch alles drinsteckt. Die ÖVP hätte diesen Stoff verständlicher Weise viel lieber thematisiert als die Chats des ÖVP-nahen Kurz-Vertrauten Thomas Schmid, der Chef der staatlichen Beteiligungen, kurz ÖBAG. Denn diese (teils banalen) veröffentlichten Chats beschäftigen nachhaltig die Republik und sorgen teils auch für Ermittlungen, wie WKStA-Ermittler Purkart ausführt. „Die vielen Daten haben viele Stränge hervorgebracht.“ Sein Team sei überlastet, es fehlen Ressourcen. Zumal man neben Ibiza auch noch mit Affären wie Commerzialbank und Dieselskandal zu tun habe.

Heiße Luft?
Die ÖVP indes hat sich schon länger auf die WKStA, die in den letzten Monaten immer mehr an türkisem Personal ins Visier genommen hat, eingeschossen und ihr politische Motive für die Vorgehensweise gegen die Kanzlerpartei vorgeworfen. Es bestehen auch Vorwürfe von Leaks seitens der WKStA an Medien, was Purkart dementierte. Es habe Untersuchungen gegeben, und nichts sei herausgekommen.

ÖVP-Fraktionschef und Rammbock Andreas Hanger wollte wissen, ob er „indirekt“ Sachen leake, und meinte, Purkarts Aussagen seien „gekünstelt“, und fragte nach, ob sich der Oberstaatsanwalt in den letzten vier Wochen mit NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper getroffen habe. „Das kann ich ausschließen“, sagte Purkart. Grünen-Mandatar David Stögmüller ortete heiße Luft: „Was soll der Schas da?“, meinte er in Richtung Hanger. Hanger fand es dennoch empörend, dass die Auskunftsperson „alles und jeden kritisiert“. Er empfahl dem Oberstaatsanwalt eine Reflexion, nur so könne es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit in der Justiz kommen.

Und was ist mit Wirecard?
Unabhängig davon ging Oberstaatsanwalt Purkart davon aus, dass die jüngsten Chats von ÖBAG-Chef Schmid ein reichhaltiger Fundus an Erkenntnis sei und dass noch einiges Interessantes darin stecke. Seit seiner letzten Befragung im Juni 2020 sei einiges passiert. Die Auswertungen seien sehr umfangreich, es müsse akribisch zusammengesetzt werden. Das Arbeitsklima mit der SOKO sei „weiterhin problemlos“. 

Apropos SOKO. Vor dem Oberstaatsanwalt war der ehemalige Leiter am Wort. Andreas Holzer. Ihm und seiner Truppe wird Befangenheit, weil ÖVP-Nähe vorgeworfen seitens der Opposition. Was Holzer stets bestritten hat und auch am Dienstag bestritt. Mittlerweile wurde Holzer von ÖVP-Innenminister Karl Nehammer zum Direktor des Bundeskriminalamtes befördert und vom Bundespräsidenten in diesem Amt auch bestätigt.

Auch der erfahrene Ermittler sagte zum bereits zweiten Mal aus. Es ging vor allem um Details zu Ermittlungen und ein mögliches Naheverhältnis zur ÖVP und Sektionschef Christian Pilnacek (suspendiert) sowie OStA Johann Fuchs (abgezogen) - beiden Herren wird vorgeworfen, sie hätten unrechtmäßig Infos zu Ermittlungsschritten weitergegeben (u.a. in der Causa Finanzminister Blümel).

Holzer wehrte die Vorwürfe von sich und sagte, es habe zwar bilaterale Treffen mit Pilnacek und Fuchs gegeben, dies sei jedoch normal. Die SOKO habe sowohl die Ermittlungsaufträge von WKStA als auch StA mit gleichem Eifer erfüllt. Auch er betonte ein problemloses Verhältnis zur WKStA, wenngleich es zunächst Dissonanzen gegeben habe.

Doppelte Auswertungen von Chats etc.
Interessant wurde es, als der Grüne David Stögmüller nach Zusammenhängen zwischen Ibiza und Wirecard fragte. Schließlich seien der inhaftierte Manager Markus Braun und sein flüchtiger Kollege Jan Marsalek mit österreichischen Regierungspolitikern in engerem Kontakt gewesen. Holzer antwortete gerne. Allerdings - aus ermittlungstaktischen Gründen - in vertraulicher Sitzung. Also nicht medienöffentlich. Schade für die Medienöffentlichkeit.

Opposition sehnt sich nach Kurz und Sobotka
Für Stephanie Krisper und SPÖ-Pendant Kai Jan Krainer war nach dem Tag einmal mehr offenkundig, dass es politische Einflussnahme seitens Türkis auf WKStA und Ermittlungen gebe. Für die ÖVP wiederum sei der Tag ein Beleg dafür, dass der Ausschuss keinerlei Erkenntnisgewinn mehr bringe und eine Verlängerung sinnlos sei. Unabhängig davon stehen noch einige Termine an.

Krisper und Krainer wollen für den 24. Juni special guests laden: Bundeskanzler Sebastian Kurz, Ausschussvorsitzenden und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid. Das könnte noch ein actiongeladenes Finish geben. In jedem Fall gilt für alle Beschuldigten und Genannten die Unschuldsvermutung.

Sandra Schieder
Sandra Schieder
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