Wiener AKH bedauert

„Kein Notfall“: Kind (2) mit Entzündung abgelehnt

Wien
21.05.2021 15:08

Auch am Höhepunkt der dritten Corona-Welle wurde seitens des Wiener Gesundheitsverbunds betont, dass kein Patient aus Spitalsambulanzen weggeschickt werde. Doch im Fall eines zweijährigen Mädchens, das von den besorgten Eltern wegen einer Augenlidentzündung ins AKH gebracht wurde, ist genau das passiert. Lediglich ein Telefonat mit dem Leiter der Augen-Akutambulanz kam zustande. Der Oberarzt teilte der schockierten Mutter mit, dass es sich um keinen Notfall handle und die Tochter nicht untersucht werde.

Die kleine Sophie (Name von der Redaktion geändert) leidet bereits seit über einem Monat an einer Entzündung des linken unteren Augenlides. Mehrere Therapieversuche durch den Augenarzt der Familie zeigten keine Wirkung, die Sorge der Eltern wurde von Tag zu Tag größer. Daher entschied man sich, zunächst die Klinik Donaustadt im 22. Bezirk in Wien aufzusuchen. Doch auch dort wurde erfolglos therapiert. Von einem Abszess, Gerstenkorn oder einem „Pickel“ war die Rede. Man behandelte weiter - auch mit Breitband-Antibiotika. Daraufhin verfärbte sich die Zunge der Zweijährigen blau und auch ein roter Fleck an der Wange kam hinzu.

Die nächste Hoffnung der Eltern war das Wiener AKH, das noch dazu näher zum Wohnort der Familie gelegen ist. Nach der Triage und einem Covid-Schnelltest im Kinderambulanz-Container im Bereich des Haupteingangs wurden Mutter und Kind an die Augenambulanz überwiesen mit der Information, dass wohl ein Abstrich vom Augenlid gemacht werde. Doch dann wurde kurzerhand alles anders entschieden. „Sie wird nicht untersucht und wir machen auch keinen Abstrich vom Auge“, erklärte der zuständige Oberarzt gegenüber der vollkommen aufgelösten Mutter am Telefon.

AKH: „Patientin nicht akut behandlungsbedürftig“
„Als ich den Oberarzt am Telefon gefragt habe, wie er denn die Situation einschätzt, nachdem er sich nicht einmal die Mühe macht, meine Tochter persönlich zu sehen, meinte er, dass er es sich hat schildern lassen. Aber von wem denn?“, zeigte sich die Wienerin sprachlos gegenüber krone.at, denn bis auf einen kurzen Blick auf das entzündete Auge im Zuge der Triage sei es nicht weiter berücksichtigt worden, so die Mutter.

Das AKH meinte zu dem Fall, dass die „Beschwerden dem ärztlichen Leiter der Akutambulanz von Mitarbeitern des Pflegedienstes der Klinik beschrieben wurden und zusätzlich auch online Einsicht auf den Befund der Klinik Donaustadt genommen wurde“. Die Patientin sei in weiterer Folge als „nicht akut behandlungsbedürftig“ eingestuft worden, teilte Karin Fehringer, Pressesprecherin des AKH, auf krone.at-Anfrage mit. Zudem betonte die Sprecherin, dass eine Fortsetzung der Behandlung in der Klinik Donaustadt sinnvoll gewesen wäre.

Emotionales Telefonat
Gleichzeitig entschuldigte sich Fehringer im Namen des AKH: „Wir bedauern sehr, dass die Kommunikation mit der Mutter nicht gut verlaufen ist, und wünschen ihrer Tochter baldige Genesung.“ Tatsächlich war das Telefonat zwischen Mutter und Oberarzt nach der erfolgten Ablehnung eskaliert. Auch auf den Vorwurf, dass diese Entscheidung „unmenschlich“ sei, habe der Mediziner keine Reaktion gezeigt. Laut den Eltern konnte das mit dem Fall befasste Personal die Entscheidung von oben ebenfalls nicht nachvollziehen und habe sich sehr verwundert gezeigt. Letztendlich bekam die Zweijährige wenige Tage später einen Termin, wo tatsächlich ein Abstrich gemacht wurde. Auf das Ergebnis wartet die Familie noch. Allerdings geht es dem Kind dem Vernehmen nach schon besser.

Überlastete Ambulanzen und hohes Burnout-Risiko bei Ärzten
Gerald Gingold, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, kann sich die schiefgelaufene Kommunikation nur durch die enorme Überlastung der Ambulanzen und des medizinischen Personals erklären. Diese sei durch die Corona-Pandemie noch um einiges höher geworden. Eine aktuelle Umfrage, auf die auch Gingold verweist, zeigt, dass das Burnout-Risiko in der Ärzteschaft enorm hoch ist.

Als Konsequenz haben offenbar nicht wenige Wiener Spitalsmediziner bereits erwogen, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. 54 Prozent überlegen dies - wobei es 31 Prozent bereits getan haben, wie aus der Umfrage hervorgeht. Doch auch eine Veränderung der belastenden Situation wird nicht ausgeschlossen. 52 Prozent der Spitalsärzte haben laut der Umfrage bereits überlegt, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen, knapp ein Fünftel denkt darüber sogar oft oder sehr oft nach. „Wir machen uns enorme Sorgen, wie es weitergeht“, erklärt Gingold.

Dass ein Patient auf diese Weise von einem Spital abgewiesen wird, findet der Ärztekammer-Vizepräsident aber „nicht in Ordnung“. Grundsätzlich habe nämlich jeder das Recht auf eine freie Arztwahl. Und auch wenn es sich um keinen akuten Notfall handle, müsse man normalerweise höchstens mit einer längeren Wartezeit rechnen, so Gingold.

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