„Heraus zum 1. Mai“ - das hatten die Mitglieder der Sozialistischen Jugend Vorarlberg als Parole ausgegeben. Dem Aufruf folgten die Teilnehmer eines Protestmarsches in Bregenz, in dessen Mittelpunkt die Pflegemisere stand. Die Gewerkschaft macht seit Jahren auf den gravierenden Personalmangel aufmerksam.
Der Applaus ist verhallt. Um die Spitäler und Pflegeheime ist es ruhiger geworden. Die Probleme jedoch sind geblieben. Auf die chronische Überbelastung der Pflegekräfte und die Tatsache, dass immer mehr ihren Job hinschmeißen, machten die Jungsozialisten am 1. Mai aufmerksam. „Alle wissen - auch die Arbeitgeberseite - dass wir auf einen riesigen Pflegemangel zusteuern. Wirksame Konzepte, um dem gegenzusteuern, gibt es von Seiten der Politik aber nicht“, fand Thomas Steurer von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) klare Worte. „Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass wir nicht genügend Fachkräfte aus den Pflegeschulen und der Fachhochschule bekommen.“
Mangel haben wir bereits jetzt
Auch aus der Pflegepersonalbedarfsprognose für das Land Vorarlberg ist ersichtlich, dass über den Zeitraum von zehn Jahren etwa 400 Personen zusätzlich in Pflegeberufen ausgebildet werden müssen, um den Bedarf decken zu können. „Dass jetzt schon nicht genügend Personal vorhanden ist, zeigt sich daran, dass etwa in Pflegeheimen Betten gar nicht mehr belegt werden können, weil es nicht genug Pflegekräfte gibt“, berichtet Steurer. Er fordert, dass die Kapazitäten in der Fachhochschule ausgebaut werden. „Wir brauchen in der Zukunft rund 230 Absolventen.“
Attraktivität des Berufs steigern
Um die Attraktivität für Quereinsteiger in den Pflegeberuf zu steigern, müsste laut Steurer die finanzielle Unterstützung erhöht werden. In Vorarlberg wickelt die Pflegestiftung connexia die Ausbildung ab. Neben dem Arbeitslosengeld gibt es für Teilnehmer einen Zuschuss von 200 Euro vom Land. „Damit kommen aber viele nur schwer über die Runden. Hier müsste die Politik mehr unter die Arme greifen.“
Junge motivieren
Ein ganz schwieriges Thema sei die Frage, wie junge Vorarlberger für einen Pflegeberuf motiviert werden könnten. „Da gibt es im Moment keine wahnsinnig fantasiereichen Ideen von der Politik“, kritisiert der Gewerkschafter. „Es ist schön und gut, mal einen Werbespot laufen zu lassen, aber einen großartigen Zulauf löst das nicht aus.“ Gefragt seien neue Modelle, um Jugendliche nach der Hauptschule oder der Unterstufe Gymnasium für die Pflege zu gewinnen.
Pflegelehre ist Quatsch
Erst mit 17 Jahren kann eine Pflegeausbildung begonnen werden. Viele Jugendliche würden deshalb nach der Pflichtschule „verloren“ gehen, weil sie sich für andere Berufe entscheiden. Für pflegeinteressierte Jugendliche brauche es eine Fachschule, auf der sie mit 17 Jahren in die diplomierte Pflegeausbildung wechseln. Alternativ könnten sie mit der Matura abschließen, um an einer Fachhochschule weiterzustudieren. Kein Freund ist Steurer von der Pflegelehre. „Das ist ein Quatsch! Warum soll ich vier Jahre eine Pflegelehre absolvieren, wenn ich mit 17 den einjährigen Lehrgang machen kann und denselben Abschluss habe?“
Bund, Land und Gemeinden haben eine soziale Verantwortung. Jeder bei uns hat eine ordentliche Pflege verdient, dafür haben wir auch jahrzehntelang Steuern gezahlt
Thomas Steurer
Mehr Geld für Pflege
Steurer kritisiert dabei auch die Wirtschaftskammer, dessen Zuständige den Pflegeberuf mit einer Pediküreausbildung gleichsetzen würden. Und wer in Pflegeheimen jemanden braucht, der mit den Bewohnern „Mensch ärger dich nicht“ spielt, sollte eine Ausbildung als „Beschäftigungsanimateur“ schaffen.
Kurzum: Aus Sicht Steurers muss deutlich mehr Geld für Ausbildung und Bezahlung in die Hand genommen werden. „Bund, Land und Gemeinden haben eine soziale Verantwortung. Jeder bei uns hat eine ordentliche Pflege verdient, dafür haben wir auch jahrzehntelang Steuern gezahlt.“
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