Down-Syndrom-Tag

Das Tiroler Glückskind Sophie und ihre Botschaft

Tirol
21.03.2021 12:44

Selbstbestimmt leben. Das möchten wir alle. Auch Menschen mit Down-Syndrom. Heute, Sonntag, wird international darauf aufmerksam gemacht. Die „Krone“ besuchte eine bemerkenswerte junge Tirolerin.

Sophie Aigner liebt Ordnung. In ihrem Computer sind die Fotos und Videos von Familienfesten und Reisen penibel archiviert. Schon als Kind war Wäschesortieren ein Hobby der heute 20-Jährigen. Im Job können sich die Kollegen darauf verlassen, dass die Kirchdorferin mit System an jede Aufgabe herangeht. Sophie kann Ordnung.

Jetzt sitzt die 20-Jährige mit Mama Anita, deren Lebensgefährten Andreas, Bruder Niklas und Hauskatze Timmy am großen Esstisch. Ein Bild besonderer Verbundenheit. Im Zentrum eine vitale, lebenslustige, herzerwärmende junge Frau mit Down-Syndrom. Sophie trägt in ihren Körperzellen 47 statt der üblichen 46 Chromosomen. Das 21. Chromosom ist dreifach vorhanden, daher auch die Bezeichnung Trisomie 21.

Selbstbestimmtes Leben ist möglich
Immer noch wird die Chromosomenbesonderheit Trisomie 21 von vielen als Krankheit oder als Behinderung mit wenig Entwicklungsmöglichkeiten für die Betroffenen wahrgenommen. Dabei beweisen Sophie und so viele andere eindrucksvoll, wie viel Selbstbestimmung möglich ist. Darauf macht der internationale Down-Syndrom-Tag aufmerksam.

„Mein Job ist cool“, beginnt die 20-Jährige von ihrem Arbeitsalltag in der Küche des Montessori-Hauses in St. Johann zu erzählen. „Um 8.45 Uhr ist Dienstbeginn, um 9.30 Uhr muss das Frühstück für die Kinder fertig sein. Am Dienstag gibt es Joghurt-Jause.“ Das Fabulieren ist Sophies Sache nicht. Sie benennt die Dinge strukturiert, Sophie liebt Ordnung.

Inklusion in Schule und Job nicht garantiert
Seit Oktober arbeitet die Kirchdorferin dort, wo sie selbst Kindergarten und Schule besucht hat. Das alles war und ist keine Selbstverständlichkeit. Davon kann ihre Mutter Anita ein Lied mit vielen Strophen singen. „Als Sophie auf die Welt kam, war die Diagnose zuerst ein Schock“, erinnert sich die Mama. Sie berichtet von Ärzten, die ihr wenig Hoffnung auf eine gute Entwicklung ihres Babys machten, „obwohl noch gar nicht alle Untersuchungen abgeschlossen waren“.

Das größte Glück der kleinen Erdenbürgerin war die Beharrlichkeit ihrer starken Mutter. Unzählige Kilometer, Bittgänge, Ansuchen und Nachfragen waren nötig, um dem Kind jene Förderung zu verschaffen, die es braucht und verdient. „Ich würde mir für betroffene Familien wünschen, dass die Behördenwege einfacher gestaltet und die Zuständigkeiten klarer geregelt werden“, meint die Mutter. Auch mehr Austausch mit den anderen Familien hätte sie sich gerade in den ersten Jahren gewünscht: „Manchmal steht man sehr alleine da. Zum Glück habe ich eine wunderbare Familie und Freunde, die uns unterstützen.“

Der Traum von der eigenen Wäscherei
Tochter Sophie träumt von einer eigenen Wäscherei oder einem Café. Keine Utopie. Anita und Freund Andreas erzählen von einer USA-Reise, bei der sie Betriebe kennengelernt haben, die von Menschen mit Down-Syndrom geführt werden. Ähnliche Initiativen gibt es auch in Österreich. Aber wenige. „Natürlich braucht Sophie in einigen Dingen Hilfe. Aber in anderen Dingen ist sie die große Hilfe für uns alle - durch ihre Herzenswärme, ihre Ruhe, ihre Fröhlichkeit“, schwärmt Andreas, der vor einiger Zeit in die Familie aufgenommen wurde.

Auch Bruder Niklas kann das nur bestätigen. Seine Schwester schaut auf ihn, er schaut auf sie – Geschwisterliebe! „Der Papa sagt immer, dass ich meine sozialen Kompetenzen mit Hilfe von Sophie sehr früh geschult habe“, meint der kleine Bruder nicht ohne Stolz.

Im Wettstreit mit dem Bergdoktor Hans Sigl
Im Job wird die 20-Jährige von einer Arbeitsassistentin begleitet. In der Freizeit gehört ihre Leidenschaft den Pferden, Sport und vor allem der Showbühne. Sophie klickt auf ein Video, in dem sie eine Party mit Helene-Fischer-Songs rockt. Atemlos durch die Nacht!

Im Fernsehen ist der Bergdoktor Sophies Favorit. Sie kennt alle 13 Staffeln aus dem Effeff. „Mehr als 6000 Minuten“, glänzt die Kirchdorferin mit Spezialwissen, das sie gerne im Wettstreit mit Hauptdarsteller Hans Sigl einsetzen würde. „Bei der Show Klein gegen Groß“, verrät Sophie. Ihr ist klar, dass sie kein Kind mehr ist. „Aber klein bin ich“, garniert sie ihre bestechende Logik mit einem entwaffnenden Lachen.

Stolz darauf, das eigene Geld zu verdienen
Keine Frage, das Leben von Sophie ist nicht immer heiter. Aber sie trägt die Sonne im Herzen. Dass sie ihr eigenes Geld verdient, macht sie stolz – und die Mama glücklich. „Es ist so wichtig für ihr Selbstwertgefühl. Ich habe Sophie immer gefordert. Hatte auch Zweifel, ob ich ihr zu viel zumute. Doch so falsch kann es nicht gewesen sein“, meint Anita mit Blick auf ihre Tochter. Die steht mitten im Leben, mitten in der Gesellschaft. Dort ist für Menschen mit Down-Syndrom leider immer noch zu wenig Platz. Glückskind Sophie ist Beispiel dafür, wie wertvoll Inklusion ist. Für alle!

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