„Krone“-Kommentar

Gratwanderung

Medien
07.11.2020 06:00

Ein bewaffneter Polizist der Eliteeinheit Cobra hält ein Auto auf, langsam muss der Insasse seine Hände aus dem Fenster strecken. Das Gesicht des Fahrers ist nicht zu erkennen, aber die Nummerntafel des Fahrzeugs ist minutenlang im Bild. Der ORF begeht damit eine schwere Datenschutzverletzung. Angesichts der hochaktuellen Berichterstattung zu dem plötzlich in unserer Stadt erwachten Terror aber entschuldbar.

Dieses Bild ist brisant, ein historisches Zeitdokument. Das Ereignis dahinter ist eines von jenen Ereignissen, bei denen jeder im Land noch genau weiß, was er gerade gemacht hat, als es geschah. Das Informationsbedürfnis ist hoch, Aufklärung geboten. Es gilt zu zeigen, was passiert ist, wie wir es bewältigen. In der Eile passieren auch Fehler, wie das Gerücht einer Geiselnahme auf der Mariahilfer Straße, von einem anerkannten Investigativ-Journalisten etwas voreilig getwittert. Er hat sich dafür entschuldigt, sehr ordentlich.

Videos werden auf den sozialen Netzwerken geteilt, sie zeigen den Attentäter, sie zeigen das Furchtbare, das Grauen, Tod und Verletzung. Auch die Online-Plattform der „Kronen Zeitung“ krone.at zeigte einen Teil dieser Videos, und einzelne Bilder erschienen in der Zeitung. Journalismus kann zu einer Gratwanderung werden; zwischen dem Leitspruch „Sagen, was ist“ und den Grenzen der Zumutbarkeit.

Aber wer die Wirklichkeit nicht zeigt, schafft Raum für die Unwahrheit. Die „Krone“ hat entschieden, diese Videos zu zeigen, die Opfer dabei aber zu schützen, nicht identifizierbar zu machen. Das ganze Ausmaß der Schreckenstat ist so trotzdem dokumentiert. Solche Bilder machen das möglich.

Eine Haltung, die nicht von allen geteilt wird und zu Kritik geführt hat. Die Diskussion darüber ist wichtig und muss geführt werden. Dieser Herausforderung stellen wir uns täglich.

Aurelius, Kronen Zeitung

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