Zusatztaferln, adé

Neue zweisprachige Tafeln: Dörfler sieht “Fehlentscheidung”

Kärnten
13.07.2010 09:40
Knalleffekt in der Kärntner Ortstafelfrage: Die einst von Jörg Haider montierten "verfassungswidrigen" Zusatztaferln sind am Dienstag durch zweisprachige Tafeln ersetzt worden - und zwar in Bleiburg, Ebersdorf und Schwabegg. Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) ließ die Amtshandlung nach dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) trotz eigenen Widerwillens durchführen. Aus allen politischen Lagern gibt es dazu unterschiedliche Reaktionen.

Der seit Jahren andauernde Streit um die "Zusatztaferln" ist also vorerst beendet. Bereits im Dezember 2005 hatte der VfGH entschieden, dass Bleiburg und Ebersdorf zweisprachige Ortstafeln erhalten müssen. Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider versuchte jedoch mit juristischen Tricks, das Erkenntnis nicht umsetzen zu müssen.

Er verrückte die einsprachigen Tafeln, dann ließ er kleine slowenischsprachige Zusatztaferln anbringen. Am Freitag vergangener Woche gab der VfGH schließlich bekannt, dass diese Taferln anhand des Beispiels Bleiburg/Pliberk "verfassungswidrig" seien (wir berichteten ausführlich).

Sorge vor Haftung bei Unfall im Ort
Nur vier Tage später ließ Dörfler nun korrekte verfassungsgemäße zweisprachige Ortstafeln aufstellen. Laut Dörfler eine Art Vorsichtsmaßnahme. Hätte er dies nicht getan, hätte er im Falle eines Verkehrsunfalles in Bleiburg als Verkehrsreferent zur Amtshaftung herangezogen werden können, so Dörfler.

Der Landeschef beharrt dennoch weiterhin darauf, dass er das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für eine "Fehlentscheidung" hält. Doch auch im Fußball müssten Fehlpfiffe der Schiedsrichter als Tatsachenentscheidungen akzeptiert werden, so Dörfler.

Slowenenverband: "Trickserei verhindert"
Der Obmann des Zentralverbandes der slowenischen Organisationen Kärntens, Marjan Sturm, meinte, der Verfassungsgesichtshof (VfGH) habe nunmehr "jegliche Trickserei verhindert". Dörfler habe nur noch die Wahl zwischen der Aufstellung der Tafeln oder einem Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gehabt.

Der neue Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Valentin Inzko, sah einen "Sieg für den Rechtsstaat Österreich, das Land Kärnten und seine Bevölkerung". Er verbinde damit die Hoffnung, "dass in diesem Geist fortgesetzt wird".

FPÖ fordert 25-Prozent-Lösung
Für FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan geht die jüngste Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln "in Ordnung", es habe sich um eine "eindeutige Entscheidung" des Verfassungsgerichtshofes gehandelt, die "zu akzeptieren" sei. Die Kärntner FPÖ erneuerte am Dienstag die Forderung nach einer Minderheitenfeststellung in Kärnten. Wenn sich dabei eine Mehrheit von über 25 Prozent an slowenisch-sprachiger Bevölkerung in gewissen Ortschaften ergebe, "kann dort auch zu Recht eine zweisprachige Ortstafel aufgestellt werden", so FPÖ-Landesobmann Christian Leyroutz.

Petzner sieht "glatten Rechtsbruch"
Verärgert reagierte BZÖ-Landesobmann Stefan Petzner. Die am Dienstag erfolgte Aufstellung der zweisprachigen Tafeln sei auf Basis einer Fehlentscheidung des VfGH und ohne rechtlicher Grundlage erfolgt. Das sei ein "glatter Rechtsbruch und grenzt an Amtsmissbrauch". Dörfler habe Kärnten "in einer geheimen Nacht- und Nebelaktion in der Ortstafelfrage verraten und verkauft und an Wien ausgeliefert".

Petzner argumentiert, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch gar nicht rechtsgültig sei, weil die Kundmachung durch die Landesregierung bis heute ausstehe. "Wir werden daher rechtliche Schritte gegen Gerhard Dörfler wegen Amtsmissbrauchs prüfen."

ÖVP begrüßt "rasche Korrektur"
Erleichtert zeigte sich ÖVP-Landeschef Josef Martinz: "Kärnten kehrt zurück in den Alltag der Selbstverständlichkeiten - die rasche Korrektur von Ortstafeln mit kleinen zweisprachigen Zusatzschildern bringt unser Bundesland aus imageschädigenden Diskussionen." Die ÖVP stehe jederzeit zu weiteren Gesprächen in der Ortstafelfrage zur Verfügung. Martinz erinnerte in diesem Zusammenhang an das Schüssel-Haider Modell aus dem Jahre 2006, das 141 zweisprachige Ortstafeln vorsah. "Das könnte als Basis dienen", so Martinz.

SPÖ-Chef Kaiser: "Recht muss Recht bleiben"
Auch SPÖ-Chef Peter Kaiser begrüßte die jüngste Entwicklung. "Recht muss in einem Rechtsstaat Recht bleiben, und Politiker müssen sich an Recht und Verfassung ebenso halten, wie alle anderen." Was Kärnten jetzt brauche seien Brückenbauer und keine politischen Selbstdarsteller, welche versuchen würden Gräben aufzureißen, die gerade zugeschüttet würden, so Kaiser.

Grüne sehen "Notwehraktion" Dörflers

Grünen-Parteichefin Eva Glawischnig forderte Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag auf, endlich eine verfassungskonforme Ortstafelverordnung vorzulegen. Die Aufstellung von drei zweisprachigen Ortstafeln ist für Glawischnig zu wenig. "Das reicht selbstverständlich nicht", so die Grünen-Chefin: "Das war eine Notwehraktion, um nicht ganz blöd dazustehen."

VfGH drängt auf generelle Lösung
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) selbst begrüßte am Dienstag den Schritt Dörflers und die "neue Entwicklung, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte", so VfGH-Sprecher Christian Neuwirth. Nun gehe die "dringende Aufforderung an die Bundesregierung, den Nationalrat und die Kärntner Behörden, eine verfassungskonforme politische Lösung für die Ortstafelfrage zu finden. Derzeit seien Beschwerden zu zwölf Ortschaften beim VfGH anhängig.

Verfahren anhängig
Bei den "betroffenen" Ortschaften handelt es sich um Hart, Gösselsdorf, Lauchenholz, Gablern, Sittersdorf, Edling, Frög, Bad Eisenkappel, Loibach, Mökriach, St. Primus und Ebersdorf. In Ebersdorf gibt es allerdings nun wie in Bleiburg eine zweisprachige Ortstafel, die kleinen slowenischsprachigen Zusatztäfelchen wurden vorsorglich ausgetauscht.

Fischer macht weiter Druck auf Kärnten
Bereits am Sonntag hatte Bundespräsident Heinz Fischer weiter Druck auf Kärnten gemacht. Die Kärntner Behörden seien "verpflichtet, unverzüglich die vom VfGH konstatierte Rechtswidrigkeit zu beseitigen", sagte Fischer in der ORF-"Pressestunde". Zu den "Zusatztaferln" meinte er: "Zu sagen, weil ihr eine Minderheit seid, kriegt ihr nur kleine Taferl, das ist ja wirklich... Ich schluck's hinunter."

Mit dem Austausch der "Zusatztaferln" durch korrekte zweisprachige Ortstafeln dürfte nun ein erster großer Schritt getan sein.

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