28.11.2018 14:09 |

Anreize geschaffen

Regierung lobt „faire“ Reform der Mindestsicherung

Die Regierung hat am Mittwoch die Details ihrer Mindestsicherungsreform präsentiert. Auf Familien mit Kindern und Personen mit schlechten Deutschkenntnissen kommen damit teils starke Kürzungen zu. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Chrisitan Strache (FPÖ) lobten das Modell als fair und gerecht und strichen insbesondere Arbeitsanreize für Bezieher hervor.

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Beschlossen wurde im Ministerrat eine „Punktation“ zur Mindestsicherung Neu, also eine politische Absichtserklärung. Der genaue Gesetzentwurf soll im Lauf der Woche folgen und sechs Wochen lang begutachtet werden. Dieses „Rahmengesetz“ ersetzt die 2016 ausgelaufene Bund-Länder-Vereinbarung über Mindeststandards bei der Mindestsicherung. Für Einzelpersonen sieht es einen Höchstbetrag von 863 Euro vor, bei Paaren maximal 1208 Euro. Bezieher mit schlechten Deutschkenntnissen sollen ein Drittel weniger bekommen. In besonders teuren Städten sind zusätzliche Sachleistungen möglich, die aber mit 30 Prozent der Mindestsicherung gedeckelt werden.

„Mehr Bezieher als das Burgenland Einwohner hat“
Kurz, der das Modell nach dem Ministerrat mit Strache sowie Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubchef August Wöginger präsentierte, sprach von einer dringend notwendigen Reform. Österreich habe bereits mehr Mindestsicherungsbezieher als das Burgenland Einwohner und jeder zweite sei Ausländer. „Wir haben eine massive Zuwanderung in das System der Mindestsicherung“, betonte Kurz. Daher schlage man nun ein „gerechteres System“ mit Arbeitsanreizen vor. Auch der „Fleckerlteppich“ der unterschiedlichen Länderregelungen werde damit beendet.

Ähnlich sieht das auch Strache, der erklärte, man habe von der SPÖ ein ungerechtes Modell übernommen, das nun treffsicherer, fairer und gerechter werde. Er lobte zwar insbesondere die fünfjährige Wartefrist für „EU-Sozialtouristen“, betonte aber: „Die Mindestsicherung darf auch nicht zu einer sozialen Hängematte verkommen. Für niemanden - auch nicht für Österreicher.“

Familien mit Kindern besonders betroffen
Besonders starke Einschnitte bedeuten die Regierungspläne für Familien mit Kindern (2017 waren laut Statistik Austria 81.334 von 231.390 Mindestsicherungsbeziehern Kinder). Für das erste Kind gibt es künftig rund 216 Euro monatlich, für das zweite 130 und ab dem dritten nur noch 43 Euro. Außerdem werden diese Kinderzuschläge noch ein weiteres Mal gekürzt: Wie Hartinger-Klein sagte, soll der Kinderabsetzbetrag (58 Euro pro Kind und Monat) künftig von der Mindestsicherung abgezogen werden. Derzeit wird er gemeinsam mit der Familienbeihilfe an alle Familien ausgezahlt und reduziert die Mindestsicherung nicht.

„Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“
Kurz begründete diese starken Kürzungen für Mehrkindfamilien damit, dass berufstätige Familien häufig nicht viel mehr Geld zur Verfügung hätten als Mindestsicherungsbezieher mit vielen Kindern. „50 Prozent der Menschen verdienen weniger als 1800 Euro netto“, meinte Kurz. Das bedeute, dass es für Menschen in kinderreichen Familien gar nicht mehr attraktiv sei, arbeiten zu gehen. „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“, ergänzte Wöginger.

Abfederung für Alleinerzieherinnen und Behinderte
Abgefedert werden diese Kürzungen allerdings bei Alleinerzieherinnen, die einen Zuschlag erhalten (103,5 Euro bei einem Kind, 233 Euro bei drei Kindern), ebenso wie bei Behinderten (plus 155 Euro). „Wir nehmen das Problem der Kinderarmut ernst“, betonte Strache diesbezüglich. Nicht durchgesetzt hat sich die FPÖ dagegen mit ihrer Forderung, den Vermögenszugriff bei „Aufstockern“ in die Mindestsicherung abzuschaffen. Allerdings wurden die aktuellen Regelungen abgemildert: Auf selbst benutztes Wohneigentum soll erst nach drei Jahren (nicht schon nach sechs Monaten) zugegriffen werden, außerdem dürfen Mindestsicherungsbezieher 5200 Euro in bar behalten (bisher 4300). Strache dazu: „Wir beenden die soziale Kälte der SPÖ.“

Notstandshilfe: Lange Beschäftigten droht keine Mindestsicherung
Auch beim Thema Notstandshilfe war die Regierung am Mittwoch um Besänftigung bemüht: Kurz und Strache dementierten, dass die für 2019 geplante Reform des Arbeitslosengeldes für Langzeitarbeitslose künftig automatisch den Gang in die Mindestsicherung bedeutet. Für lange erwerbstätige Personen werde es weiterhin eine Art unbefristete Notstandhilfe geben und damit auch keinen Vermögenszugriff.

„Wer eingezahlt hat, hat ein Recht auf die Versicherungsleistung. Wer dagegen nur ganz kurz gearbeitet hat und Vermögen besitzt, für den kann es nicht Job der Allgemeinheit sein, ihn zu erhalten“, so der Bundeskanzler.

Konkrete Angaben zu den Voraussetzungen für einen unbefristeten Verbleib in der Notstandshilfe konnte die Regierungsspitze am Mittwoch noch nicht machen und verwies auf noch anstehende Verhandlungen. Auf die Frage, ob etwa jemand, der zehn bis 15 Jahre gearbeitet hat und mit 40 Jahren arbeitslos wird, dann unbefristet die Notstandhilfe beziehen kann, sagte Strache allerdings: „So ist es.“ Wichtig sei es aber, einen Unterschied zwischen Kurz- und Langzeitbeschäftigten herzustellen.

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