Proteste im Iran

Leichnam von Moussavis Neffe ist verschwunden

Ausland
28.12.2009 13:18
Der Leichnam des bei den Protesten in Teheran getöteten Neffen des iranischen Oppositionspolitikers Mir-Hossein Moussavi ist nach Angaben seiner Familie verschwunden. Der Körper des Toten sei aus dem Krankenhaus in Teheran fortgeschafft worden und unauffindbar, sagte der Bruder des Opfers, Seyed Reza Moussavi, am Montag. Bei den neuerlichen Protesten sollen bislang 15 Menschen ums Leben gekommen sein.

"Niemand übernimmt für das Verschwinden des Leichnams die Verantwortung", sagte Seyed Reza Moussavi. "Bevor wir ihn nicht wiedergefunden haben, können wir keine Beerdigung abhalten." Zuvor war bereits unklar gewesen, ob die Behörden die Erlaubnis für ein Begräbnis erteilen würden, da die Opposition die Trauerfeier für Proteste nutzen könnte.

Der 35-jährige Seyed Ali Moussavi war bei den massiven Protesten der Opposition gegen Staatspräsident Mahmud Ahmadinejad am Sonntag in Teheran erschossen worden. Er sei im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen, erklärte ein Berater von dessen Onkel.

Das staatliche Fernsehen meldete unterdessen, dass fünf Angehörige bekannter "Terrorgruppen bei verdächtigen Aktionen" getötet wurden. Zudem seien "mehr als zehn bekannte Mitglieder antirevolutionärer Gruppen getötet" worden. In anderen Medienberichten war zuvor von bis zu acht Toten die Rede gewesen. Die Polizei bestätigte den Tod von fünf Menschen.

An mehreren zentralen Plätzen in Teheran sowie nahe dem Gebäude des staatlichen Rundfunks habe die Polizei nach Angaben von Regimegegnern am Sonntag mit Tränengas versucht, Demonstrationen aufzulösen. Im Norden der Hauptstadt riefen Oppositionsanhänger wie schon in den Monaten nach der Wahl "Allahu akbar" (Gott ist groß) von den Dächern. In der Gegend waren Schüsse zu hören.

Polizei soll auf Demonstanten geschossen haben
Mit Sprechchören wie "Tod dem Diktator!" waren tagsüber in Teheran mehrere Tausend Anhänger der Oppositionsbewegung auf die Straße gegangen. Auf der Enghelab-Straße gaben die staatlichen Einsatzkräfte zunächst Warnschüsse in die Luft ab und gingen mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Menschenmenge vor. Schließlich hätten sie direkt auf Demonstranten geschossen, berichteten Augenzeugen.

Die Polizei wiederum erklärte, sie habe keine Schusswaffen eingesetzt. Dutzende Beamte seien verletzt und mehr als 300 Demonstranten festgenommen worden. Nach Angaben von Oppositionskreisen wurde auch der liberale Oppositionspolitiker Ibrahim Yazdi verhaftet.

"Maulkorb" für Journalisten
Journalisten internationaler Nachrichtenmedien war es verwehrt, über die Kundgebung zu berichten. Wie in der Vergangenheit bei ähnlichen Zusammenstößen wurde das Mobilfunknetz abgeschaltet, Internetleitungen waren gedrosselt. Deutlich sichtbar war, dass über dem Zentrum von Teheran zeitweise schwarze Rauchwolken aufstiegen. Sirenen von Rettungswagen waren zu hören, Polizeihubschrauber kreisten über den Straßen.

Der iranische Oppositionspolitiker Mehdi Karroubi verurteilte die blutige Gewalt gegen die Demonstranten scharf. In einer Erklärung, die am Montag auf seiner Website verbreitet wurde, fragte er die Regierung, wie sie ausgerechnet am höchsten schiitischen Feiertag, dem Ashura-Fest, das Blut des eigenen Volkes vergießen konnte. Sogar das Schah-Regime habe diesen heiligen Tag respektiert, rügte Karroubi, der wie Moussavi bei der Präsidentenwahl im Juni gegen den umstrittenen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad angetreten war.

USA: "Ungerechte Unterdrückung von Zivilpersonen"
Die USA verurteilten die jüngste Gewalt im Iran mit scharfen Worten. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Mike Hammer, kritisierte die "ungerechte Unterdrückung von Zivilpersonen" bei den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und staatlichen Einsatzkräften. Hammer erklärte, mit Hilfe von Furcht und Gewalt zu regieren, sei nicht gerecht. Der Sprecher zitierte aus der Nobelpreisrede von US-Präsident Barack Obama, wonach es bezeichnend sei, wenn Regierungen die Sehnsüchte ihres eigenen Volkes mehr fürchteten als die Macht eines anderen Staates.

Die italienische Regierung forderte Regierung und Opposition im Iran zum Dialog auf, der auf dem Respekt für das Leben aufbaue. "Der Schutz menschlichen Lebens ist ein grundlegender Wert, der überall und unter allen Umständen verteidigt werden muss", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums.

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