Nach Kern-Rückzug:

„Todestrieb von einigen Wahnsinnigen in der SPÖ“

Medien
19.09.2018 20:25

Schon vor dem überraschenden Rückzug von SPÖ-Chef Christian Kern, der die Parteiführung abgeben und als Spitzenkandidat in die nächste EU-Wahl gehen will, steckte die SPÖ nach dem verlorenen Kampf um die Wähler und dem Mega-Skandal um Berater Tal Silberstein in einer veritablen Krise. Nun ist sie noch dazu praktisch führerlos. Wie es mit der wichtigsten Oppositionspartei Österreichs weitergehen soll und kann, war am Mittwochabend das Thema unseres #brennpunkt-Livetalks (Highlights sehen Sie oben, den ganzen Talk können Sie hier nachsehen). Tenor der analytischen Runde: Die SPÖ schlittert in katastrophalem Zustand durch einen politischen Hurrikan - und nur sie selbst kann sich wieder auf Kurs bringen. Doch das Steuer scheint niemand übernehmen zu wollen.

(Bild: kmm)

Wie die SPÖ aus der Krise zu führen ist, diskutierte krone.at-Moderatorin und -Kolumnistin Katia Wagner mit Politikexperten: Journalist Peter Pelinka, PR- und Politikberater Stefan Petzner, EU-Parlamentarierin Barbara Kappel (FPÖ) und NEOS-Berater und Ex-SPÖ-Wahlkampfmanager Johannes Vetter.

Vetter: „Hat sich ein bissl so angefühlt wie Wahlkampf“
Berater Johannes Vetter ging knallhart mit der SPÖ und dem Prozedere rund um Kerns Rücktritt ins Gericht: „Einige Wahnsinnige mit Todestrieb“ hätten die SPÖ quasi voll an die Wand gefahren. Der Dienstag habe sich „ein bissl so angefühlt wie Wahlkampf“. „Machtgeilheit“ könne man demjenigen, der hier diverse Gerüchte in die Welt gesetzt habe, aber sicher nicht vorwerfen: Denn so zerstöre man alles, womit man überhaupt noch Macht ausüben könne. „Die Probleme der Sozialdemokratie sind auch, wo sind die Alternativen?“ Auf die Frage von Katia Wagner, wie man den Dienstag einem SPÖ-Wähler erklären könnte, sagte Vetter: „Das Beste in solchen Situationen ist, dass man ehrlich ist. Und sagt: Das war einfach gschissn.“

Petzner: „Für die SPÖ ist das ein Desaster“
Ähnlich, wenn auch etwas gemäßigter, argumentierte PR-Profi Petzner: „Eine Partei, die nicht geeint hinter einem Spitzenkandidaten steht, kann nicht gewinnen“, war der Politberater sicher. „Was wir am Dienstag erlebt haben, war Chaos pur. Das war Tohuwabohu. Und für die SPÖ ist das ein Desaster.“ Die Idee, Chrisitian Kern als EU-Spitzenkandidaten aufzustellen, sei zwar eine spannende. Doch die Umsetzung sei schlicht katastrophal, sagte Petzner. Er sieht für Kern auch möglicherweise politisch die letzte Stunde geschlagen. Petzner: „In der Politik geht es sehr oft auch um das richtige Momentum. Das hat er damals (2017) verpasst, und das hat er auch jetzt wieder verpasst.“ Für den Fall, dass Kern nicht Spitzenkandidat der EU-Sozialdemokraten wird: „Da bist in Wahrheit hin, bevor du angefangen hast ...“

Kappel: „Wir sehen eine Spaltung der Sozialdemokratie in vielen Ländern“
Für FPÖ-Politikerin Kappel könnte die SPÖ nun immerhin bereit sein, „reinen Tisch zu machen“. „Wir sehen eine Spaltung der Sozialdemokratie in vielen Ländern.“ Das Rennen ums europäische Parlament werde bestimmt ein gutes werden, auch wenn es von Kern „ziemlich mutig“ sei, sich da „so weit“ hinauszulehnen. Denn „die Chance, Jean-Claude Juncker zu beerben, ist wohl relativ gering ...“ Kappel: „Wir werden sehr spannende Wahlen erleben. Und wir werden ein Europa erleben, nach den Wahlen, das anders ist. Das pluraler ist.“

Pelinka: „Die Zeit des Kadavergehorsams ist vorbei“
„Christian Kern ist eher ein Staatsmann als ein Politiker auf der Oppositionsbank“, befand schließlich Journalist Pelinka. „Er hat eine der Grundwahrheiten der Politik übersehen: dass die Intrige blüht.“ Eine Spaltung der Sozialdemokratie habe in Österreich „keine Tradition“, gab sich Pelinka allerdings überzeugt. Das sei lediglich „Wunschdenken der politischen Gegner.“ Dennoch werde es wahnsinnig schwer werden, „den Apparat im Wahlkampf zum Laufen zu bringen“. Pelinka: „Die Zeit des Kadavergehorsams ist vorbei.“

Nachfolge steht in den Sternen
Bis Mai 2019 will er noch Parteichef bleiben, spätestens dann den Posten zurücklegen - das hatte Kern, der historisch kürzest dienende Regierungschef der Zweiten Republik, bekanntlich am Dienstagabend verkündet. Öffentlich hatte sich das zuletzt noch ganz anders angehört: „Totaler Mumpitz“, war Kerns Antwort am 3. September auf die Frage, ob er für das EU-Parlament kandidieren wolle. Dementsprechend irritiert reagierten auch die Genossen. Wer ihm an die Spitze der größten Oppositionspartei nachfolgen wird, ist nach wie vor völlig offen.

Aktuell hagelt es regelrecht Absagen zur Nachfolge an der SPÖ-Spitze: Nach Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser haben am Mittwoch auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der designierte burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil abgewinkt. Die ehemalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner scheitert angeblich am parteiinternen Widerstand.

„Sexy Doppelspitze“
Peter Pelinka riet in unserem Livetalk übrigens dazu, die aktuellen Dementis „nicht auf die Goldwaage“ zu legen. Und Stefan Petzner fände eine Doppelspitze durchaus „sexy“.

Sämtliche Ausgaben des Talk-Formats zum Nachsehen sowie Highlight-Videos finden Sie unter krone.at/brennpunkt.

Michael Pils
Michael Pils
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