Heilloses Chaos

Weiter Wirbel um ÖBB

Österreich
24.09.2009 11:29
Die ÖBB kommen auch nach dem Aufsichtsrat nicht zur Ruhe. Wer sich ein großes Reinemachen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das Aufsichtsorgan einigte sich lediglich in der Causa "Krankendaten-Speicherung" auf eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft und die Beauftragung von externen Datenschutzexperten. Personelle Konsequenzen für ÖBB-Chef Peter Klugar und Betriebsratsobmann Wilhelm Haberzettl hat es nicht gegeben, obwohl ihnen großflächige Datenspeicherungen seit Mai 2008 bekannt waren. Und während sich ÖVP und Eisenbahnergewerkschaft einen Schlagabtausch über Schulden und Krankenstandstage liefern, ist auch weiterhin offen, wie viele Strecken die Bahn stilllegen will.

Die in Medien kolportierten 1.600 Kilometer sollen es jedenfalls nicht sein, so ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker. Es sei "selbstverständlich", dass sich angesichts der Nachfrageeinbrüche der Vorstand mit der "Wirtschaftlichkeit sowohl von Strecken als auch von Knotenpunkten" beschäftigen müsse. Was aber in den Medien gestanden sei, "ist so weder beschlossen, noch wird es so stattfinden". Die SPÖ hat jedenfalls am Mittwoch sicherheitshalber deponiert, dass es mit der Kanzlerpartei kein Streichungsprogramm geben werde. Es seien aber auch die Bundesländer gefragt, bei der Finanzierung von defizitären Nebenbahnen mitzuzahlen.

Aufsichtsratssitzung lässt Fragen offen
Offen blieb bei der Aufsichtsratssitzung am Dienstag auch, welche Konsequenzen die 620 Millionen Euro Spekulationsverluste der Bahn nach sich ziehen werden. Last but not least ist weiterhin unklar, was die Staatsbahn mit ihren angeblich überzähligen Mitarbeitern macht. Verkehrsexperte Univ.-Prof. Sebastian Kummer zog jedenfalls eine sehr ernüchternde Bilanz über den Staatskonzern: Er habe die falschen Strukturen und die falschen Manager.

ÖVP und Eisenbahnergewerkschaft im Clinch
Einen veritablen Schlagabtausch lieferten sich am Mittwoch ÖVP und die Eisenbahnergewerkschaft vida. Auslöser waren Behauptungen von ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier am Vortag, wonach die Bahn 2003 unter der damaligen ÖVP/FPÖ-Regierung praktisch schuldenfrei gewesen sei. Haberzettl sprach daraufhin von einer "ÖVP-Lüge". Haberzettl: "Vielmehr wurden damals im Infrastrukturbereich 10 Milliarden Euro Schulden angehäuft." Von dieser Summe habe der Bund 6 Milliarden übernommen, 4 Milliarden Euro blieben in den ÖBB. Außerdem müsse die ÖBB die Zinsen für die sechs Bundesmilliarden leisten.

"Lieber Josef!": Offener Brief von Bures an Pröll
Bereits am Dienstag hatten sich SPÖ und ÖVP diesbezüglich ein internes Duell über die Schulden der Bahn geliefert, das in einem Offenen Brief von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) an Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) gipfelte (siehe Infobox).

ÖVP: "Privilegienstadl von Haberzettls Gnaden"
Haberzettl wies auch den Vergleich der ÖBB-Krankenstände mit den Krankenständen der ASVG-Versicherten zurück. Die Krankenstände in den ÖBB seien "unbereinigt" und daher "auch nicht 1:1 mit den durchschnittlichen Krankenstandstagen von ASVG-Versicherten vergleichbar". Der Konter der ÖVP folgte umgehend: "Tatsache  ist, dass die Eisenbahnergewerkschaft sogenannte 'Restkrankenstandstage' immer akzeptiert hat und damit die Hauptverantwortung für das desaströse Bild der ÖBB trägt", betonte Maier. Und weiter: "Mit dem Privilegienstadl von Haberzettls Gnaden muss endlich Schluss sein."

Skandal um Aufzeichnungen über Krankenstände
Jüngst war bekannt geworden, dass die ÖBB genaue Aufzeichnungen über die Krankenstände von Mitarbeitern geführt hat und teilweise auch auf Familienmitglieder eingewirkt hat, um die unnatürlich hohen Krankenstände zu reduzieren. Vor wenigen Jahren waren ÖBB-Mitarbeiter noch im Schnitt 27 Tage pro Jahr im Krankenstand, inzwischen sind es 17 Tage. Durchschnittlich sind die österreichischen Arbeitnehmer pro Jahr 12 Tage im Krankenstand.

ÖBB: Sachverhaltsdarstellung an Staatsanwalt kommt
Die ÖBB wollen nun über die illegalen Aufzeichnungen von Krankendaten der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung übermitteln. Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker kündigte an, damit einer entsprechenden Forderung von Infrastrukturministerin Bures nachzukommen. Ein externer Anwalt solle sich darum kümmern, "damit nicht Dinge wie Vertuschung oder andere Dinge hier im Raum stehen bleiben".

Der Aufsichtsrat sei vor einem Jahr über die Praktiken informiert worden, aber "da es dann nie wieder behandelt wurde, weder von Belegschaftsvertretern noch vom Management, musste man stillschweigend annehmen, bei den Hunderten von Problemen, die wir in diesen Sitzungen besprechen, dass es erledigt sei", rechtfertigte Pöchhacker, dass der Aufsichtsrat nicht eingeschritten ist.

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