Obama in Bagdad

US-Präsident besucht überraschend Irak

Ausland
08.04.2009 08:57
US-Präsident Barack Obama hat am Dienstag überraschend den Irak besucht und eine baldige Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch die Bagdader Regierung gefordert. "Sie (die Iraker) müssen Verantwortung für ihr Land übernehmen", sagte Obama auf dem US-Militärstützpunkt Camp Victory. Am frühen Dienstagabend hat der US-Präsident den Irak nach seinem rund vierstündigen Blitzbesuch wieder verlassen und ist in die USA zurückgeflogen.

Die US-Streitkräfte hätten dem Irak die Möglichkeit gegeben, als demokratischer Staat auf eigenen Füßen zu stehen, erklärte Obama vor rund 600 begeisterten Soldaten. Nach sechs Jahren Krieg und 4.266 getöteten US-Soldaten sei es nun an der Zeit, dass die irakische Regierung die Zuständigkeit für die Sicherheit im Land übernehme. Die Gewalt hat seit März 2003 außerdem Tausende Iraker das Leben gekostet.

Kommende 18 Monate entscheidend
Obama bezeichnete die kommenden eineinhalb Jahre als "entscheidend" für das Land. Die kommenden 18 Monate könnten kritisch werden. Obama will die Zahl der US-Streitkräfte in dem Zweistromland von derzeit 140.000 bis Ende August 2010 auf höchstens 50.000 Soldaten reduzieren.

Obama war am Dienstag zu einem nicht angekündigten Besuch in der irakischen Hauptstadt eingetroffen. In Camp Victory zeichnete er Soldaten mit Verdienstmedaillen aus und traf sich mit dem Oberkommandierenden der US-Truppen im Irak, Ray Odierno. Für kurz vor seiner Abreise war eine Begegnung mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki geplant, bei der es um den US-Truppenrückzug und Sicherheitsfragen gehen sollte.

Telefongespräch mit irakischem Präsidenten
Mit Präsident Jalal Talabani werde Obama vermutlich nur telefonieren können, sagte Präsidentensprecher Robert Gibbs am Nachmittag. Ein Flug Obamas in die schwer bewachte Grüne Zone in der irakischen Hauptstadt wurde wegen schlechten Wetters abgesagt.

Obama sah Gesprächsbedarf
Die Entscheidung zu dem überraschenden Irak-Besuch sei gefallen, weil es Gesprächsbedarf mit der irakischen Führung gebe und Obama mit seinem Besuch bei den Truppen deren Einsatz würdigen wolle, so Obamas Sprecher. Obama kam mit der "Air Force One" aus Istanbul und flog nach den Gesprächen nach Washington. Die Türkei war die letzte offizielle Station der achttätigen Europareise des US-Präsidenten.

Mordkomplott in der Türkei
Zuvor gab es Aufregung um einen Mann, der geplant haben soll, Obama in der Türkei zu ermorden. Die türkische Polizei hatte, wie erst am Dienstag bekannt wurde, bereits am Freitag einen Mann festgenommen, der nach eigener Aussage US-Präsident Barack Obama bei seinem Staatsbesuch umbringen wollte. Konkret gefährdet war der Präsident laut Secret Service aber nie. Die saudi-arabische Tageszeitung "A-Watan" berichtet,  dass sich der Mann mit einem Presseausweis als Mitarbeiter des Senders "Al Jazeera" ausgegeben habe. Er habe gestanden, Obama mit einem Messer ermorden zu wollen, und habe drei Komplizen gehabt.

Obama unterstützt EU-Beitritt der Türkei
Nach Einschätzung des Weißen Hauses habe Obamas Europareise wichtige politische Fortschritte gebracht und das Ansehen der USA nachhaltig verbessert. Obama hat fünf Länder besucht, an drei internationalen Gipfeltreffen (G-20, NATO und EU-USA) teilgenommen und insgesamt 14 bilaterale Treffen mit Staats- und Regierungschefs gehabt.

In Istanbul traf er am Dienstag mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zu einem Vieraugengespräch zusammen und diskutierte mit türkischen Studenten. Dabei drückte er abermals seine Hoffnung auf einen türkischen EU-Beitritt aus.

Obamas Berater David Axelrod bezeichnete die Reise als "einen großen Erfolg" und als "enorm produktiv". Er verwies insbesondere auf die Schaffung einer neuen Vertrauensbasis bei den Gesprächen Obamas mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und dem chinesischen Staats- und Parteichef Hu Jintao. Es sei ein großer Erfolg, dass nun wieder neue Abrüstungsgespräche begännen. Obama sei es zudem gelungen, die beschädigten bilateralen Beziehungen zu manchen Verbündeten wie der Türkei zu reparieren.

"Neue Brücken statt neuer Mauern"
In der Diskussion mit türkischen Studenten sagte Obama am Dienstag, zwar seien die USA nicht Mitglied der EU, "doch hindert mich das nicht, eine Meinung zu haben", die nicht mit der des französischen Präsidenten, seines "guten Freundes und Verbündeten" Nicolas Sarkozy, identisch sei. Er plädiere dafür, Vorurteile abzubauen und zu kooperieren. "Sie werden in den USA einen Freund und Partner finden", sagte Obama. "Sie können entscheiden, statt neuer Mauern neue Brücken zu bauen." Angesichts hochgesteckter Ziele wie einer Welt ohne Atomwaffen werde ihm vorgeworfen, er sei zu idealistisch. "Aber wenn wir es nicht versuchen, dann werden wir nicht viel erreichen."

Ein Student fragte, ob sich Obamas Regierung tatsächlich wesentlich von der vorherigen unter Präsident George W. Bush unterscheiden werde. Obama erklärte, dass er in vielen Fragen andere Ansichten und Ziele habe als sein Amtsvorgänger. Es werde jedoch Zeit brauchen, bis die Unterschiede zu erkennen seien. "Das Schiff des Staates zu manövrieren ist ein langsamer Prozess", sagte Obama. Am Vortag hatte sich der US-Präsident in Ankara in einer Rede vor dem türkischen Parlament für eine engere Partnerschaft mit der islamischen Welt eingesetzt und dabei die Brückenfunktion der Türkei gewürdigt.

Besuch in der Hagia Sophia
In Begleitung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan besuchte Obama in der Bosporus-Metropole die Hagia Sophia und die Blaue Moschee. Er sprach auch mit muslimischen, christlichen und jüdischen Religionsvertretern. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. dankte Obama in einer separaten Unterredung für dessen Einsatz für Religionsfreiheit und die Unterstützung für eine türkische EU-Mitgliedschaft. Am Montag hatte sich Obama in Ankara ausdrücklich für die Wiederzulassung des Anfang der 1970er-Jahre vom türkischen Staat geschlossenen orthodoxen Priesterseminars auf der Prinzeninsel Chalki (Heybeli) im Marmarameer ausgesprochen. Die Unterstützung der Minderheiten sei wichtig: "Sie sehen das an mir persönlich", sagte Obama vor dem türkischen Parlament.

Mit dem Vieraugengespräch unterstrich der US-Präsident, dass er den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel in dessen Rolle als universalkirchlichen Repräsentanten anerkennt. Die Regierung in Ankara verweigert Bartholomaios I. nach wie vor diese Anerkennung und behandelt ihn lediglich als Oberhaupt der wenigen griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Im November wird Bartholomaios den USA einen offiziellen Besuch abstatten.

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