Parlamentswahlen

Türkei: Absolute für “Sultan” Erdogan

Ausland
02.11.2015 06:23
Recep Tayyip Erdogan hat bei den Parlamentswahlen in der Türkei mit seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP die absolute Mandatsmehrheit erreicht. Die Konfliktstrategie des "Sultans" ist damit voll aufgegangen - er hatte sich als einziger Garant von Stabilität dargestellt. Nun will Erdogan eine Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem, in der alle Macht in seiner Hand gebündelt ist. Oppositionskreise sprechen von Wahlschwindel.

Die AKP kommt nach den vorläufigen Ergebnissen auf fast 50 Prozent der Stimmen - nach 40,9 Prozent bei der Wahl im Juni. Damit gewinnt sie 317 der 550 Sitze in der Nationalversammlung in Ankara. Auf den zweiten Rang kommt die Mitte-links-Partei CHPmit unverändert rund 25 Prozent der Stimmen, gefolgt von der ultrarechten MHP, die mit rund zwölf Prozent und einem Verlust von vier Prozentpunkten zu den Verlierern der Wahl gehört. Die AKP hatte die ihr ideologisch oft nahestehenden MHP-Wähler massiv umworben. Äußerst knapp (mit rund elf Prozent) schaffte die prokurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde und zieht damit erneut ins Parlament ein.

Austro-Türken stimmten für Erdogan
Nach Angaben des türkischen Innenministeriums waren am Sonntag 385.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um die Abstimmung zu schützen. Gut 54 Millionen Staatsbürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen, die Wahlbeteiligung betrug rund 87 Prozent. Die 2,9 Millionen wahlberechtigten Türken mit Wohnsitz im Ausland konnten bereits früher in Botschaften und Konsulaten abstimmen. In Österreich stimmten laut einem Auszählungsstand von rund 70 Prozent etwa 69 Prozent der Türken für die AKP.

Erdogans Stimmabgabe vor zahlreichen Kameras am Sonntag:

"Gott ist groß"
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bedankte sich am Wahlabend für den spektakulären Sieg. "Ich bin euch und meinem Volk Dank schuldig", sagte der AKP-Vorsitzende in seiner Heimatstadt Konya. "Das ist nicht unser Sieg, das ist der Sieg unseres Volkes." Die Menge skandierte unter anderem "Allahu Akbar" (Gott ist groß) und "Die Türkei ist stolz auf dich". Auf Twitter schrieb Davutoglu nach dem Wahlsieg: "Elhamdülillah..." (Gelobt sei Gott).

Davutoglu kündigte an, die Rechte aller Bürger und die Meinungs- und Glaubensfreiheit zu schützen. "Die Feinde der neuen Türkei haben einmal mehr verloren", sagte er. "Die Wahl vom 1. November war das Referendum für die neue Türkei. Ihr habt gezeigt, dass die alte Türkei tief begraben ist und nie wieder zurückkehren wird."

Neuwahl nach "Irrtum" im Juni
Auch Präsident Erdogan begrüßte das Wahlergebnis. Das Votum sei eine "starke Antwort" auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Erdogan hatte zum zweiten Mal in fünf Monaten wählen lassen, weil er die Wahl im Juni als "Irrtum" der Wähler empfand. Damals hatte er die absolute Mandatsmehrheit verloren, weil es der prokurdischen HDP gelungen war, die Zehn-Prozent-Sperrklausel zu überspringen.

Der Preis in diesen fünf Monaten zwischen den beiden Wahlen waren Hunderte Todesopfer durch Gewalt und Terror. Die Opposition warf Erdogan vor, er würde so lange wählen lassen, bis dann das Ergebnis stimmt. Der Präsident strebt durch die absolute Mehrheit nun noch mehr Macht an. Deshalb setzte der 61-Jährige alles daran, die HDP wieder aus dem Parlament zu verdrängen. Er schob ihr den Terror der militanten Kurdenorganisation PKK in die Schuhe und kriminalisierte HDP-Führer Selahattin Demirtas. Dennoch schaffte die HDP diesmal knapp die für einen Einzug ins Parlament vorgeschriebene Zehnprozenthürde. Mit voraussichtlich 59 Abgeordneten wird die prokurdische Partei drittstärkste Fraktion in der türkischen Nationalversammlung.

Durch das Anfachen von Spannungen im Land besonders zwischen Türken und Kurden präsentierte sich Erdogan zudem als einziger Garant von Stabilität. Die PKK hatte ihm den "Gefallen" getan, einen Terrorkrieg zu eröffnen. Im Osten der Türkei herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Polizei und Militär gehen rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung vor.

Die Türkei gilt zudem als Schlüsselland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, weshalb die Wahl auch in Europa aufmerksam verfolgt wurde. Die EU setzen auf ein gemeinsames Handeln mit der türkischen Regierung, um den Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus dem Bürgerkriegsland Syrien einzudämmen.

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