"Lex Norwegen"?

ÖVP drängt auf Anti-Terror-Paket, SPÖ will “prüfen”

Österreich
26.07.2011 13:04
Nach dem Doppelanschlag von Norwegen haben sich SPÖ und ÖVP am Dienstag nach dem Ministerrat geschlossen für Maßnahmen ausgesprochen - wobei man sich aber nicht einig ist, wie diese aussehen sollen. Während die SPÖ die Frage der internationalen Zusammenarbeit der Polizei "prüfen" will, spricht sich die ÖVP dafür aus, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Speziell Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wittert offenbar ein geeignetes Klima für ihr umstrittenes Anti-Terror-Paket.

Nach drei Tagen der Beileidsbekundungen scheint für die Regierungspolitiker die Zeit gekommen, um den einen oderen anderen Aspekt der Tragödie in Norwegen für Gesetzesänderungen zu nutzen. Innenministerin Mikl-Leitner betonte am Dienstag zunächst, sie sehe in dem "Manifest" des Oslo-Attentäters Anders Behring Breivik keine konkrete Bedrohung für Österreich.

Im Radio Ö1 forderte sie dann zugleich die Umsetzung ihres gemeinsam mit Justizministerin Beatrix Karl ausgearbeiteten "Anti-Terror-Pakets". Freilich, nicht nur die norwegischen Attentate mit 76 Toten, sondern "gerade die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass wir hier eine Verschärfung brauchen in der Gesetzgebung".

Wer Terror gutheißt, soll ins Gefängnis
Es gehe darum, die Informationen des Innenministeriums und Informationen aus dem Internet mit Informationen der ausländischen Geheimdienste verschneiden zu können, damit diese strukturiert bewertet und Gefahren rechtzeitig erkannt werden könnten, so die Ministerin. Auch Karl sprach das Thema vor dem Ministerrat erneut an. Man müsse klare strafrechtliche Bestimmungen in Österreich haben, etwa was die "Anleitung zu terroristischen Straftaten" betreffe. "Da haben wir noch Lücken." Details gelte es zwar mit dem Koalitionspartner abzusprechen, als Strafrahmen kann sich Karl allerdings schon jetzt "bis zu zwei Jahre" Haft oder mehr vorstellen.

In dem erstmals Ende Juni vorgestellten Paket soll neben dem Besitz von einschlägigen Unterlagen u.a. auch die Gutheißung des Jihads ("Heiliger Krieg") bzw. eines Terrorakts eine terroristische Straftat darstellen, auf die mehrere Jahre Haft stehen. Die im Paket enthaltenen Verschärfungsvorschläge waren Großteils schon von Vorgängern der beiden Ministerinnen eingebracht worden, die damit aber am Parlament scheiterten. Mikl-Leitner präsentierte die Initiative übrigens wenige Tage, nachdem am Flughafen Wien vier mutmaßliche Terrorverdächtige verhaftet worden waren.

Schieder gegen "Überwachungsstaat", Faymann für Debatte
Vom Koalitionspartner SPÖ bekamen die schwarzen Ministerinnen im Juni eine Absage. Auch SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder sprach sich am Dienstag im Vorfeld des Ministerrats klar gegen einen "Überwachungsstaat" aus. Schieder findet es "bewundernswert", wie die norwegische Gesellschaft mit den offenbar rechtsextrem motivierten Anschlägen umgehe. Man stehe dort zusammen, betone die Grundwerte und rücke davon nicht ab. Über schärfere Sicherheitsmaßnahmen wolle er aber vorerst nicht nachdenken: "Es gibt keine Alternativen zu einer freien Gesellschaft."

Etwas weniger entschieden klang Bundeskanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat. Zum Anti-Terrorpaket meinte der SPÖ-Chef, es gehe nicht um eine Debatte entweder Datenschutz oder Terrorbekämpfung. Datenschutz habe immer seine Berechtigung. Man müsse jedoch darüber diskutieren, wie man die Polizei zweckorientiert mit besseren Möglichkeiten ausstatten könne.

Spindelegger: "Alle notwendigen Mittel ergreifen"
Für ÖVP-Chef Michael Spindelegger gehört das Anti-Terrorpaket "im Parlament ausdiskutiert". "Wir müssen die Konsequenzen aus den Attentaten in Norwegen ziehen und alle notwendigen Mittel ergreifen, damit so eine Tat in Österreich nicht passieren kann. Wir müssen alle Hinweise, die es auf solche Taten gibt, Ernst nehmen und alle Möglichkeiten zur Prävention ausschöpfen", sagte er.

Die beiden Parteichefs betonten aber auch, dass man zwischen den Vorfällen in Norwegen und der politischen Situation in Österreich trennen müsse. SPÖ und ÖVP seien sich auch einig, so Faymann, dass der norwegische Premierminister Jens Stoltenberg mit seiner Reaktion auf die Anschläge den richtigen Weg gegen Hass und Gewalt einschlage. Auch in Österreich bedürfe es einer "Abrüstung der Worte", die in diesem Fall auch als Maßnahme gelten kann.

Grüne wollen Demokratie-Charta, FPÖ-Eklat auf Facebook
Die Grünen haben indes eine "Charta für mehr Offenheit, Demokratie und Humanität" für die Innenpolitik vorgelegt. Darin wenden sie sich gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und streben eine Vereinbarung für Wahlkämpfe an, auf sprachliche Herabwürdigungen von Menschen oder Religionen zu verzichten. Zur Überwachung soll ein Menschenrechts-Beirat eingerichtet werden. Alle Parlamentsparteien solle die Charta zu unterzeichnen.

Wie groß die Chance sei, dass auch die FPÖ den Text unterzeichnet, ist für Parteichefin Eva Glawischnig "schwer zu sagen". Sie hoffe aber, dass es auch in der FPÖ "vernunftbegabte Menschen" gebe, die zumindest darüber nachdenken. In der Tat hatte Vizeparteichef Norbert Hofer am Montag noch ein Statement herausgegeben, in der er ersuchte, "diese Tragödie nicht für das Wechseln von politischem Kleingeld zu nutzen". Regierungsmitglieder, darunter Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, bezeichneten die Äußerungen Hofers als sachlichen Diskussionsbeitrag.

Das Gegenteil vollführte hingegen der freiheitliche Abgeordnete Werner Königshofer auf seiner Facebook-Seite. Er stellte die Attentate in Relation zur "islamistischen Gefahr", denn diese habe "in Europa schon tausendmal öfter zugeschlagen". Die Opfer der "schrecklichen Bluttat" in Oslo würden außerdem "für politische Zwecke gegen rechts instrumentalisiert", schrieb Königshofer. Der Eintrag wurde als Reaktion auf einen Zeitungskommentar gepostet, in dem anlässlich des Massakers vor der "Gefahr von rechts" gewarnt wurde. Königshofer findet das "unfassbar" und bittet seine Fangemeinde darüber hinaus "eindringlich, euch bei allen Aussagen und Verweisen an die österreichischen Gesetze zu halten, weil die Organe unseres Linksstaates nur darauf warten, diverse 'Rechtsinjurien' anzuzeigen und anzuklagen". Dem Vernehmen nach soll Königshofer für diesen Eklat eine Rüge der Parteiführung kassieren und zur "Aussprache" gebeten werden.

Polizei klärt noch ab, ob Breivik in Österreich war
Indes gehen die Routine-Abklärungen in Österreich in Bezug auf den Norwegen-Attentäter Anders Behring Breivik weiter. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat sich mit den augenscheinlichen Österreich-Bezügen im "Manifest" Breiviks bereits "relativ intensiv auseinandergesetzt", erklärte Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia am Dienstag. Um zu klären, ob Breivik womöglich in Österreich war und ob er tatsächlich Kontakte nach Österreich hatte, sei man auch auf die norwegischen Behörden angewiesen. Mit diesen sei Österreich im Schriftverkehr. Es gebe ein Auskunftsansuchen an die norwegische Polizei, das bisher allerdings noch nicht beantwortet wurde.

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