Erst der Anfang?

Peugeot streicht weitere 8.000 Jobs und schließt Werk

Wirtschaft
12.07.2012 16:35
Inmitten der Absatzkrise zieht Peugeot als erster der großen europäischen Autobauer die Reißleine: Der französische Konzern streicht weitere 8.000 Jobs und schließt 2014 sein Werk Aulnay bei Paris mit mehr als 3.000 Beschäftigen.

Es ist die erste Werkschließung der Branche in Frankreich seit 20 Jahren und birgt damit politischen Zündstoff. Die Regierung von Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault, teilte zwar mit, sie sehe sich die Umbaupläne von Peugeot genau an, stellte diese aber nicht infrage. Die Regierung werde sicherstellen, dass das Unternehmen die entlassenen Mitarbeiter bei der Jobsuche unterstütze, hieß es in einer Erklärung. Der Autobranche versprach die Regierung neue Hilfen. Sie sollen am 25. Juli vorgestellt werden. Die Gewerkschaft CGT warf der Regierung Untätigkeit vor.

6.000 Jobs sind schon weg, 8.000 folgen
Die Schwere der Krise und ihre Auswirkungen auf das Geschäft in Europa machten diese Neuordnung unvermeidbar, begründete PSA Peugeot Citroen den massiven Stellenabbau. Bereits im vergangenen Jahr strich der zweitgrößte europäische Autobauer 6.000 Arbeitsplätze und ist dabei, eine Milliarde Euro einzusparen. Für das abgelaufene, erste Halbjahr erwartet Peugeot, bei dem jüngst die Opel-Mutter General Motors mit sieben Prozent eingestiegen war, einen Nettoverlust. In der Auto-Sparte werde sich ein operativer Verlust von 700 Millionen Euro ergeben. Pro Monat verbrennt das Unternehmen nach eigenen Angaben in der Fertigung etwa 200 Millionen Euro. Ein baldiges Ende ist nicht in Sicht. "Dies ist eine Firma, der die Optionen ausgegangen sind", sagte Analyst Erich Hauser von Credit Suisse in London. "Peugeot hat den Faden verloren bei kleinen Autos, die traditionell das Spezialgebiet waren."

Im Werk Aulnay-sous-Bois arbeiten etwa 3.300 Menschen an der Produktion des Kleinwagens C3. Die Fertigung dort soll den Angaben nach ab 2014 stillstehen. Auch in Rennes fallen künftig 1.400 der 5.600 Jobs weg. Dort solle das Angebot der sinkenden Nachfrage nach größeren Fahrzeugen angepasst werden. Im Konzern werden zusätzlich 3.600 Beschäftigte in verschiedenen Bereichen ihren Job verlieren. "Ich bin mir des Ernstes der heutigen Ankündigungen voll bewusst", erklärte Peugeot-Chef Philippe Varin.

Absatz in Südeuropa weggebrochen
Peugeot kommt bisher deutlich schlechter durch die Krise als die Konkurrenz, weil das Pariser Unternehmen vor allem in den von der Schuldenkrise besonders geplagten südeuropäischen Ländern Geschäfte macht. Dort ist die Nachfrage weggebrochen. Im ersten Halbjahr verkaufte Peugeot weltweit 13 Prozent weniger Fahrzeuge. Beim heimischen Wettbewerber Renault sank der Absatz um lediglich 3,3 Prozent, Volkswagen konnte die Verkäufe sogar um zehn Prozent steigern. Der Wolfsburger Konzern profitiert vor allem von seinem erfolgreichen Exportgeschäft nach China sowie einem robusten deutschen Markt.

Auch der neue Peugeot-Allianzpartner GM kämpft mit Verlusten im Europageschäft. Um die Kosten zu senken, wollen die Opel-Mutter und Peugeot den Einkauf bündeln und auch bei der Logistik kooperieren. 1,5 Milliarden Euro im Jahr sollen so gemeinsam eingespart werden. Das erste Fahrzeug auf Basis einer gemeinsamen Architektur wird für 2016 erwartet. Wie es mit dem Opel-Werk in Bochum weitergehen soll, ist nach derzeitigem Stand offen, langfristig dürften aber auch dort die Lichter ausgehen.

Peugeot erst der Anfang?
Branchenkenner schließen nicht aus, dass Peugeot mit dem Radikal-Umbau eine neue Restrukturierungswelle lostritt: Als mögliche Kandidaten werden der heimische Rivale Renault ebenso genannt wie Fiat oder eben Opel. Der Chef von Renault und dessen Partner Nissan, Carlos Ghosn, hatte schon im März gesagt, sobald ein Hersteller in Europa massiv anfange umzubauen, "werden alle anderen nachziehen müssen". Fiat-Chef Sergio Marchionne sagte unlängst, sollte sich der Markt nicht binnen 36 Monaten verbessern, "hat Fiat ein Werk zu viel". Die Lkw-Sparte von Fiat, Iveco, will bis Jahresende fünf Werke in Europa schließen, weil die Nachfrage fehlt. Die Branche kämpft in Europa seit Längerem mit Überkapazitäten, die durch die Nachfrageflaute wegen der grassierenden Schuldenkrise noch verstärkt wurde. Seit 2007 ist der Markt in Europa um ein Fünftel geschrumpft.

Die Schließung des Werks bei Paris war bereits befürchtet worden. Die Pläne sickerten zum Teil schon kurz vor den Parlamentswahlen in Frankreich im Juni durch. Das Management wollte aber auf keinen Fall vor den Wahlen damit an die Öffentlichkeit gehen. Sozialministerin Marisol Touraine bezeichnete den angekündigten Stellenabbau als "inakzeptabel". Ein von der Regierung beauftragter Experte soll sich die Pläne genau ansehen. In zwei Wochen werde das Ergebnis vorliegen. CGT-Chef Bernard Thibault bezeichnete die Pläne als "Erdbeben". Die Gewerkschaft werde nicht untätig bleiben und den Abbau nicht hinnehmen.

An der Börse reagierte die Peugeot-Aktie mit Kursgewinnen. Am Nachmittag lagen Peugeot-Aktien noch 0,5 Prozent im Plus. Am Morgen waren die Aufschläge aber noch deutlich höher - für Investoren aber wohl nur ein kleines Trostpflaster: Die Aktie hat seit Jahresbeginn gut 30 Prozent an Wert verloren.

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