Brummis mit Geweih

Strom-Lkw in Deutschland vor dem Praxistest

Wissenschaft
15.11.2015 13:43
Es ist ein seltsamer Anblick. Ein Stück Autobahn in der Uckermark im Nordosten von Deutschland, zwei Spuren, kein Verkehr. Rechts am Fahrbahnrand, direkt neben der Leitschiene, säumen Strommasten die Strecke. Im November-Nieselregen nähern sich zwei Lastwagen. Sie sehen aus, als trügen sie Geweihe auf dem Führerhaus. Es sind Stromabnehmer, die sich an eine Oberleitung drücken.

Was hier auf einer 2,2 Kilometer langen Teststrecke des Siemens-Konzerns in Templin-Groß Dölln - rund 60 Kilometer nördlich von Berlin - zu beobachten ist, könnte schon bald Realität auf einem echten Autobahnabschnitt werden. Nach Tausenden Probefahrten mit mehreren Lkw-Prototypen seit 2011 sagt Siemens-Projektleiter Martin Birkner: "Wir sind bereit zur öffentlichen Erprobung."

Erste Testfahrten bereits für 2017 geplant
Schon im übernächsten Jahr soll es so weit sein. Interessenten sollen für die geplante Pilotstrecke bis Ende Februar kurze Projektbeschreibungen einreichen. Nach Auswahl eines oder mehrerer Projekte könne im zweiten Halbjahr 2016 dann die konkrete Planung beginnen und 2017 die Installation, sagt Randolf Schließer, der sich beim Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik um das Vorhaben kümmert.

Der Ausgangspunkt für die Forscher war die Frage: Wie kann der wachsende Güterverkehr bewältigt werden, ohne gleichzeitig den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid weiter in die Höhe zu treiben? In Deutschland rechnet die Regierung mit einem Plus von rund 40 Prozent im Zeitraum 2010 bis 2030. Nach dieser Prognose wird die Güterbahn aber nur ein Fünftel des Zuwachses übernehmen können. Die meisten Transporte kommen auf die Straße.

Elektroantrieg effizienter als Dieselmotoren
Da liegen Lkw mit Elektroantrieb nahe - vor allem, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windkraft kommt. Weitere Vorteile: Elektromotoren arbeiten weitaus effizienter als Dieselmotoren und verpesten dort, wo sie unterwegs sind, nicht die Luft. Weil aber heutige Akkus für Langstreckentransporte noch nicht stark genug sind und auch zu groß, besann man sich bei Siemens auf die bewährte Bahntechnik mit Oberleitung.

In Zusammenarbeit mit den Fahrzeugbauern Volvo und Scania hat der deutsche Elektrokonzern verschiedene Hybridvarianten aus Elektro-und Verbrennungsmotor ausprobiert. Je nach Dimension der Batterie und Stärke des E-Motors fahren die Lkw auch ohne Strom aus der Leitung eine Weile weiter elektrisch. Reicht die Leistung nicht mehr, schaltet sich der Dieselmotor hinzu. Will ein Elektro-Lkw überholen, senkt sich der Stromabnehmer, der Fahrer kann auf die Überholspur ausscheren. Nach dem Wiedereinscheren nach rechts führen Sensoren den Stromabnehmer wieder an die Leitung.

Test soll zeigen, ob sich die Technik bewährt
Der Praxistest soll zeigen, ob sich die Technik auch auf einer öffentlichen Straße bewährt. Aus Sicht von Projektbetreuer Schließer wäre es am besten, wenn der Anlagenbauer, ein Transportunternehmen und das Bundesland oder die Kommune, in der die Pilotstrecke entstehen soll, zusammen eine Bewerbung abgäben.

Über den Erfolg der E-Lastwagen dürfte am Ende entscheiden, ob und wie schnell die Zusatzkosten für Infrastruktur und Fahrzeuge durch geringere Energiekosten im laufenden Betrieb ausgeglichen werden können. Bisherige Studien gingen davon aus, dass ein Kilometer Autobahn-Elektrifizierung bis zu 2,5 Millionen Euro koste, berichtet Siemens-Projektleiter Birkner.

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