Vor Präsidentenwahl

Mexiko: Calderon-Krieg gegen Kartelle kläglich gescheitert

Ausland
29.06.2012 09:12
In Mexiko liefern sich rivalisierende Drogenkartelle täglich blutige Kämpfe, Auftragskiller überfallen Hochzeitsfeiern und Entzugskliniken. Die Leichen ihrer Entführungsopfer tauchen später mit extremen Folterspuren und meist geköpft vor Polizeistationen, Parteizentralen und Zeitungsverlagen auf. Somit steht wenige Tage vor der Präsidentenwahl zumindest eines fest: Der scheidende konservative Staatschef Felipe Calderon ist mit seinem Krieg gegen die Kartelle kläglich gescheitert. Seit Anfang 2007 starben in dem Konflikt über 55.000 Menschen.

Zwar schickte Calderon gleich nach Amtsantritt Ende 2006 mehr als 50.000 Soldaten in den Kampf im eigenen Land. Die Armee sollte die Arbeit der vielerorts korrupten Polizei erledigen und die Gewalt eindämmen. Doch die Strategie ging nicht auf - im Gegenteil: Mexiko versank in Kugelhagel und Blutvergießen.

Jüngste Beispiele für das Versagen von Calderons Regierung: Vor wenigen Tagen erschossen Angreifer am internationalen Flughafen von Mexiko-Stadt drei Polizisten. Nur ein paar Stunden später räumte die Regierung ein, dass die Mörder aus den Reihen der Polizei kämen und nun für die Drogenkartelle arbeiteten. Am nächsten Tag verkündeten Soldaten die Festnahme eines Sohnes des gesuchten Drogenbarons Joaquin "Shorty" Guzman - die USA als Empfängerland der meisten Drogen aus Lateinamerika applaudierten. Doch kurz darauf musste die Staatsanwaltschaft erklären, man habe den falschen Mann gefasst (Storys zu beiden Vorfällen in der Infobox).

Erst am Donnerstag wurde eine entführte Bürgermeisterin aus dem Bundesstaat Veracruz tot aufgefunden. Die mit Wahlplakaten bedeckte Leiche, die laut den Behörden Zeichen "extremer Gewalt" aufwies, wurde neben einer Straße im benachbarten Bundesstaat Oaxaca entdeckt. Seit 2010 wurden in Mexiko 21 Bürgermeister ermordet. Die Behörden gehen davon aus, dass sie wegen ihrer Weigerung, mit Drogenbanden zusammenzuarbeiten, Opfer der Verbrechen wurden.

"Die Wurzeln des Problems werden nicht angepackt"
"Calderon hat sich bei seinem Amtsantritt für eine sehr plakative Strategie entschieden, die am Anfang auch viel Applaus erntete", erklärt die ehemalige Staatssekretärin für Innere Sicherheit im Bundesstaat Michoacan, Minerva Bautista. Die Linkspolitikerin überlebte 2010 nur knapp einen Angriff, bei dem Auftragskiller ihr gepanzertes Fahrzeug mit mehr als 2.700 Kugeln durchsiebten. Die Entscheidung des Präsidenten, die Armee in den Konflikt hineinzuziehen, habe aber nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. "Es ist nicht der richtige Weg, auch weil die Wurzeln des Problems nicht angepackt werden", sagt Bautista und verweist auf die immer noch große Armut in vielen Teilen des Landes.

Calderon weist die Vorwürfe zurück und verteidigt seine Strategie. So wurden unter seiner Amtszeit immerhin 22 der 37 meistgesuchten Drogenbarone festgenommen oder erschossen. Doch es rücken immer neue Anführer nach, zu lukrativ ist das Geschäft mit Kokain und Marihuana. Und die USA verzeichnen nicht wirklich einen Rückgang beim Drogenschmuggel über die Grenze.

Bei der Wahl am Sonntag wird Calderon nicht erneut antreten, die Verfassung verbietet eine zweite Amtszeit. Stattdessen schickt seine Nationale Aktionspartei die Geschäftsfrau Josefina Vazquez Mota ins Rennen. Wegen der umstrittenen Bilanz ihres Parteifreundes im Drogenkrieg werden ihr aber kaum Chancen eingeräumt - Umfragen sehen sie lediglich auf dem dritten Platz.

Favorit bei Wahl will vor allem die Gewalt bekämpfen
Beste Chancen hat dagegen Enrique Pena Nieto von der Partei der Institutionalisierten Revolution, die bis zu ihrer Machtablösung im Jahr 2000 Mexiko über 70 Jahre hinweg regierte. Im Wahlkampf bezeichnete Pena Nieto die Gewalt als größtes Problem in Mexiko - und nicht etwa die Drogenkartelle. In einem Interview erklärte der 45-jährige Politiker: "Auch ich werde mich verpflichtet fühlen, den Drogenhandel zu bekämpfen. Doch wir haben noch ein anderes Thema, das für mich mehr Priorität hat - und zwar die Gewalt. Wir wollen ein Land, das im Frieden lebt, das ruhig und sicher ist."

Zur Wiederherstellung der inneren Sicherheit verspricht Pena Nieto eine umfassende Reform der Polizeikräfte. Als Berater hat er sich dazu den früheren Chef der Bundespolizei in Kolumbien, Oscar Naranjo, ins Boot geholt. Unter dessen Führung gelang es immerhin, die Zahl der Morde und Entführungen in Kolumbien zu verringern. Gleichwohl gilt das Land immer noch als größter Hersteller von Kokain. Und so gibt es auch die Befürchtung, dass Pena Nieto die Gewalt in Mexiko zwar eindämmen, doch um des Friedens willen faule Kompromisse mit den Drogenkartellen eingehen könnte…

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