Frau S. habe sich an die Grünen gewandt, da ihr die verschärfte Regelung Probleme bereite, so Ellensohn. Laut Eli Fröhlich vom Verein "Bettellobby", stammt die Betroffene aus Österreich und bezieht mit ihrem Mann aufgrund psychischer und physischer Erkrankungen eine Invaliditätspension. Beide haben rund 1.300 Euro im Montag zur Verfügung. Um Heiz- oder Arztkosten begleichen zu können, bettelt Martina S. seit eineinhalb Jahren mehrmals die Woche. Dieser "Notgroschen" sei durch die Gesetzesnovelle nun durch Verwaltungsstrafen von bis zu 700 Euro bedroht, hieß es.
"Armutszeugnis für die Stadt"
Das Hauptproblem: Der Begriff "gewerbsmäßig" bedeute in diesem Fall eine strafbare Handlung in der Absicht, "sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen", erklärte Ellensohn. Da Bettler gänzlich oder teilweise ihren Lebensunterhalt aus Almosen bestritten, sei nicht-gewerbsmäßiges Betteln begrifflich ausgeschlossen, wodurch in Wien ein generelles Bettelverbot herrsche. "Im europäischen Jahr der Armut ist das ein Armutszeugnis für die Stadt", befand der Grünmandatar.
Eingriff ins Privatleben
Die Verfassungsklage stützt sich auf drei Hauptpunkte. Einmal sei zu prüfen, ob das Gesetz nicht gegen die im Staatsgrundgesetz verankerte Freiheit der Erwerbstätigkeit verstoße. Außerdem verletze die Regelung das Recht auf Achtung des Privatlebens, festgelegt in der Europäischen Menschenrechtskonvention, argumentierte der Stadtrat. Ein Eingriff ins Privatleben liege nämlich auch dann vor, wenn der Staat die Möglichkeit, im privaten Sektor Unterhalt zu verdienen, weitreichenden Beschränkungen unterwerfe. Zudem soll geprüft werden, ob das Bettelverbot dem Gleichheitssatz ("Sachlichkeitsgebot") entspricht. Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs rechnen die Grünen in etwa einem Jahr.
Markus Reiter vom Sozialverein "Neunerhaus" warf der SPÖ eine "Konterkarierung der eigenen Politik" vor, da die Stadt in den vergangenen Jahren viel an niederschwelliger Sozialarbeit geleistet habe. Der Umstand tiefster Armut werde negiert, Betteln sei für Menschen die letzte "Notwehraktion", zu Geld zu kommen. Die Filmemacherin Ulrike Gladik, die mit "Natasha" eine Dokumentation über die heimische Bettelszene gedreht hat, betonte, dass die behaupteten Ausbeuterverhältnisse durch "Hintermänner" nur Gerüchte seien. Selbst die Polizei wolle nicht von Banden sprechen.
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