Nach Tusk-Aussagen

Flüchtlingsstreit in der EU wieder voll entbrannt

Ausland
14.12.2017 17:36

Dicke Luft zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel! Auslöser ist einmal mehr die umstrittene Umverteilung von Migranten auf die EU-Mitgliedsstaaten. In einer verschickten Analyse erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass die seit Jahren umstrittenen Flüchtlingsquoten "höchst spaltend" und "unwirksam" seien. Während die Vertreter der vier Visegrad-Staaten die Tusk-Aussagen begrüßten, gab es seitens der EU-Kommission und des Europaparlaments scharfe Kritik. Auch Österreichs Kanzler Christian Kern und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel distanzierten sich von Tusk.

Tusk warnte die EU vor einer doppelten Spaltung: "Wenn es um die Währungsunion geht, verläuft die Spaltung zwischen Norden und Süden. Wenn es um Migration geht, verläuft sie zwischen Ost und West."

Bisher erst 32.000 Flüchtlinge umverteilt
Gerade einmal 32.000 Flüchtlinge wären bisher aus Italien und Griechenland auf andere EU-Länder umverteilt worden. "Das sind weit weniger als die ursprünglich geplanten 160.000", so Tusk, der sich laut EU-Kreisen für ein Abrücken von den Flüchtlingsquoten starkmachen will.

EU-Kommission: "Tusk-Papier ist inakzeptabel und antieuropäisch"
Scharfe Kritik an seinen Aussagen erhielt Tusk von der EU-Kommission, hatte doch bisher deren Präsident Jean-Claude Juncker gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Merkel vehement auf eine solche Lösung im Sinne der Solidarität gedrängt. "Das Papier, das Tusk vorbereitet hat, ist nicht akzeptabel. Es ist antieuropäisch, ignoriert und leugnet alle Arbeiten, die wir in den letzten Jahren geleistet haben", empörte sich EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Aus Sicht der EU-Kommission ist die bisherige Umverteilung trotz der bescheidenen Zahlen ein Erfolg.

Kern: "Entweder wir lösen das Probelm gemeinsam - oder es ist unlösbar"
In diesselbe Kerbe schlug Kern. "Das grundsätzliche Denken, das in dem Brief von Tusk zum Ausdruck kommt, lehne ich im höchsten Maße ab." Die Umverteilung sei Sache der EU und nicht der Länder. "Entweder wir lösen das Problem gemeinsam - oder es ist unlösbar", so Kern. Merkel sagte, der Schutz der Außengrenzen sei zwar wichtig, "aber wir brauchen auch Solidarität nach innen". Eine "selektive Solidarität" in der EU könne es nicht geben. Merkel beharrte darauf, dass im Krisenfall alle EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen.

Ungarn über Tusk: "Endlich mal einer, der die Wahrheit ausspricht"
Lob erntete Tusk hingegen von den Visegrad-Staaten. "Es ist höchst erfreulich, dass endlich eine europäische Führungspersönlichkeit, noch dazu der Ratspräsident, die Wahrheit ausspricht, die jeder kennt", erklärte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto. Die beiden neuen Ministerpräsidenten Polens und Tschechiens, Mateusz Morawiecki und Andrei Babis, sagten, dass sie wie ihre Vorgänger das EU-Verteilsystem von Flüchtlingen ablehnten. Babis sprach von einem "sinnlosen" Quotensystem. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wiederum kritisierte die Visegrad-Staaten: "Wir können kein System haben, bei dem sich Länder das herauspicken, was sie von der EU haben wollen, sich aber in anderen Fragen nicht solidarisch verhalten."

Visegrad-Staaten wollen 35 Millionen Euro für Migrationsprojekte investieren
Juncker und der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni versuchten am Donnerstag Bewegung in die Debatte zu bringen. Sie trafen sich in Brüssel mit den Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sagte danach zu, dass die Mitglieder der Visegrad-Gruppe dazu bereit seien, sich etwa finanziell am Kampf gegen illegale Migration aus Nordafrika, vor allem aus Libyen, zu beteiligen. Die Visegrad-Gruppe biete Italien 35 Millionen Euro an, um Migrationsprojekte in Nordafrika zu unterstützen. Gentiloni begrüßte dieses Angebot, pochte aber darauf, dass auch die Osteuropäer wie alle anderen EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen.

Zu der Zahlung der Visegrad-Staaten in den EU-Afrikafonds erklärte Kern, dass man Geld brauchen werde. Aber man könne sich nicht mit 35 Millionen Euro aus einem Beschluss "freikaufen", betonte der Bundeskanzler in Anspielung auf die Ablehnung der Visegrad-Staaten gegenüber den verpflichtenden EU-Flüchtlingsquoten. Da würden "grundsätzliche Spielregeln" der Solidarität gelten. Beim nächsten Mal könnte es nämlich passieren, dass Nettozahler ein anderer Beschluss nicht interessiere.

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