Platzen Gespräche?

Brexit: “No deal” würde teuer für Großbritannien

Ausland
03.06.2017 10:28

Vor den Unterhauswahlen in Großbritannien steigt die Unsicherheit über die Zukunft der Brexit-Verhandlungen. Die durch sinkende Umfragewerte unter Druck stehende Premierministerin Theresa May droht, London werde ohne Entgegenkommen der EU die Austrittsgespräche platzen lassen. Die Verhandlungen könnten tatsächlich nach dem geplanten Start am 19. Juni schnell in einer Sackgasse landen.

Ein "No deal"-Szenario würde teuer für Großbritannien - aber auch für die EU. "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal", ist Mays Mantra im Wahlkampf. Denn einige in Europa hätten offenbar die Absicht, "uns zu bestrafen". Besondere Sprengkraft haben dabei die Finanzforderungen der EU an die Briten, die irgendwo zwischen 40 und 100 Milliarden Euro angesetzt werden.

Allerdings ist die milliardenschwere Austrittsrechnung längst nicht die einzige Hürde, an der die Brexit-Verhandlungen scheitern könnten. Zwar scheint die britische Seite gewillt, weitreichenden EU-Forderungen zum Status der 3,2 Millionen EU-Bürger im Vereinigten Königreich zuzustimmen - dass diese ihre Rechte dann aber vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen können, will London keinesfalls akzeptieren. Und während die EU erst nach "ausreichenden Fortschritten" bei den Austrittsfragen über ein künftiges Handelsabkommen sprechen will, verlangen die Briten vom Start weg parallele Gespräche.

"Die britische Regierung und die EU-Institutionen laufen Gefahr, sich in diametral entgegengesetzte Positionen zu bringen", warnt Andrew Duff vom European Policy Center (EPC) in Brüssel. Wenn dies so weitergehe, sei es "wahrscheinlich", dass die Austrittsgespräche "scheitern werden". Was würde dann passieren? Merkwürdigerweise erst einmal nichts. Denn nach Artikel 50 EU-Vertrag beträgt die Frist vor dem EU-Austritt zwei Jahre. Großbritannien bliebe damit so oder so bis Mitternacht am 29. März 2019 EU-Mitglied.

Dann würde die Mitgliedschaft aber schlagartig enden. Ohne irgendwelche Vereinbarungen wäre das ein dramatischer Schnitt. Über Nacht würden auf Importe und Exporte zwischen beiden Seiten wieder Zölle erhoben, britische Fluggesellschaften dürften EU-Ziele nicht mehr anfliegen, Banken verlören das Recht, Finanzdienstleistungen in der EU anzubieten.

"Tiefe Rezession" würde Briten hart treffen
"Britische Exporte von Gütern und Dienstleistungen würden sehr deutlich schrumpfen", heißt es in einer Studie des Londoner Centre for European Reform. Seine Experten erwarten, dass das Pfund massiv unter Druck gerät, die Inflation steigt und Großbritannien in eine "tiefe Rezession" verfällt.

"No deal"-Szenario für Barnier "keine Option"
Natürlich wäre ein "ungeordneter Brexit" auch für die EU eine Herausforderung. Produktions- und Lieferketten für Unternehmen in Europa würden durch neue Zollschranken verteuert oder gar unwirtschaftlich. Barrieren zum wichtigen Finanzplatz London würden auch EU-Banken das Geschäft erschweren. Und die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien blieben ebenso ungeklärt wie der Status von 1,2 Millionen Briten auf dem Kontinent. "Ich will mir einen Abbruch der Verhandlungen nicht vorstellen", sagt deshalb der Brexit-Unterhändler der EU, Michel Barnier. Ein "No deal"-Szenario sei für ihn "keine Option".

Experte: "Müssen über Plan B nachdenken"
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzt darauf, dass die Briten selbst bei einem Abbruch letztlich wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. "Meine Erfahrung in der Politik war immer, dass diejenigen, die rausgehen, zurückkommen müssen", sagt er. EPC-Experte Duff will sich darauf nicht verlassen. Für ihn ist klar: "Der Zeitpunkt, mit dem Nachdenken über einen Plan B zu beginnen, ist jetzt."

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