Der Plan der EU-Kommission den Bau Hunderte kleiner Atomkraftwerke aus dem Boden sprießen zu lassen, sorgt für heftige Kritik.
Es klingt wie die Rückkehr einer Technologie, die Europa längst hinter sich gelassen glaubte: Hunderte winzige Atomkraftwerke, sogenannte Small Modular Reactors (SMR), sollen nach dem Willen der EU-Kommission in den kommenden Jahren quer über den Kontinent verteilt werden – so einfach „aus dem Boden schießen wie Schwammerl nach einem Sommerregen“. Kritiker sprechen bereits von einem politischen Experiment, das der Realität um Jahrzehnte hinterherhinkt.
Allen voran Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, in Paris längst als „Atom-Napoleon“ verspottet, sieht in den Kleinstmeilern die Lösung für Europas Energiekrise. Und auch der britische Premier Sir Keith Starmer setzt voll auf nukleares Kleingeld – nicht zufällig wittern Konzerne wie Rolls-Royce ein Milliardenbusiness.
Doch wer genau hinsieht, merkt rasch: Europas große SMR-Vision basiert auf Papier, PowerPoint – und einer guten Prise Hoffnung. Die EU-Kommission hält eisern an der Idee fest, bis 2050 mithilfe der Mini-Reaktoren die Klimaziele zu erreichen. Nur: Kein einziges SMR-Projekt in Europa hat bisher die Planungsphase überstanden.
„In drei Jahrzehnten wurden in ganz Europa exakt drei neue Atomkraftwerke gebaut – alle mit gigantischen Kostenexplosionen und massiven Verzögerungen“, erinnert Patricia Lorenz, Anti-Atomsprecherin bei GLOBAL 2000. Und sie fragt: „Wie soll die EU plötzlich Hunderte SMR errichten, wenn nicht einmal ein Prototyp existiert? Die Voraussetzungen dafür könnten nur durch pure Magie geschaffen werden.“
Die drei Schein-Argumente der Kommission
Die Kommission liefert drei Gründe. Alle drei hält Lorenz für vorgeschoben. Ihre Analyse fällt vernichtend aus:
Ein besonders peinliches Detail: Das französische SMR-Vorzeigeprojekt „Nuward“ wurde bereits in der Entwicklungsphase wegen explodierender Kosten eingestampft.
In drei Jahrzehnten wurden in ganz Europa exakt drei neue Atomkraftwerke gebaut.

Patricia Lorenz, GLOBAL 2000
Bild: MiraNograsek
Fabriken, die es nicht gibt
Befürworter betonen gerne die theoretische Schönheit der SMR: In Fabriken vorproduziert, modulartig transportiert, rasch zusammengesetzt – wie Legosteine für die Energiewende. Die Realität? Diese Fabriken existieren nicht einmal am Reisbrett der Industrie. Und ohne sie ist Serienproduktion ein frommer Wunsch.
„Die Behauptung, man könne SMR einfach in Stückzahlen bauen, ist irreführend“, sagt Lorenz. „Wir haben diese Argumente der EU-Kommission in einer detaillierten Stellungnahme dargelegt und hoffen, dass diese sinnlose Förderung der Atomenergie endlich endet.“
Europas nukleare Renaissance – ein Phantom
Offiziell spricht Brüssel von einer „Renaissance der Kernenergie“. Tatsächlich aber gleicht das Projekt einer Vision, die bisher nur in Interviews und Hochglanzbroschüren existiert. Nicht ein einziger SMR steht, kein Fundament ist gegossen, keine Zulassung ist erteilt.
Währenddessen überrollen Wind, Sonne und Batteriespeicher den Energiemarkt – Tag für Tag günstiger, schneller und realistischer. Macron mag seine nukleare Strategie feiern, Starmer mag industrielles Gold wittern – doch Europas Energiezukunft wird längst auf anderen Feldern entschieden.
Europa zwischen Vision und Wirklichkeit
Die Mini-Meiler mögen – so auch Greenpeace-Chef Alexander Egit – politisch verlockend sein. Klein, smart, modern – ein Versprechen für eine Welt, die nach Stabilität hungert: ,Doch die nüchterne Bestandsaufnahme lässt nur einen Schluss zu: Europa steht nicht vor einer nuklearen Renaissance. Es steht vor einem Reality Check. Und dieser falle – trotz aller PR-Strategien - ernüchternd aus.
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