Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Sicherheitsarchitektur Europas erschüttert. Es wird befürchtet, dass Russland bald auch andere Länder angreifen könnte. Ein geleaktes Dokument zeigt, wie sich Deutschland auf diesen Ernstfall vorbereitet – und welche große Schwachstelle der Plan hat.
Wie die US-Zeitung „Wall Street Journal“ aufgedeckt hat, wurde der Plan für den Kriegsfall gegen Russland vor etwa zweieinhalb Jahren in der Julius-Leber-Kaserne Berlin entworfen. Seitdem arbeitet die Bundeswehr daran, die Vorgaben des geheimen Dokuments mit dem Titel OPLAN DEU (kurz für: Operationsplan Deutschland) umzusetzen.
Deutschland als Drehscheibe
Die zentrale Überlegung des 1200 Seiten umfassenden Papiers: Im Ernstfall kommt Deutschland eine Schlüsselrolle als NATO-Drehscheibe zu. Bis zu 800.000 Soldaten aus Deutschland, den USA und anderen NATO-Staaten müssten dann an die Front im Osten verlegt werden. In dem Entwurf wird genau aufgelistet, welche Häfen, Flüsse, Zugstrecken und Straßen für diese massive Truppenbewegung genutzt werden und wie die NATO-Soldaten auf dem Weg versorgt und geschützt werden.
Eine enorme logistische Herausforderung, die der Geografie Europas geschuldet ist. Mit den Alpen als natürlicher Barriere (Und Österreich als neutralem Land davor) müssten NATO-Truppen bei einer Konfrontation mit Russland jedenfalls durch Deutschland: „Egal, wo genau es anfängt“, zitiert das „Wall Street Journal“ Tim Stuchtey vom Brandenburgischen Institut für Gesellschaft und Sicherheit.
Einer NATO-Analyse zufolge wird Russland bis zum Ende dieses Jahrzehnts bereit und willens sein, Mitglieder des westlichen Militärbündnisses anzugreifen. Schon jetzt ist Europa aber mit der hybriden Kriegsführung Russlands konfrontiert: Hackerattacken, Sabotage und Luftraumverletzungen durch Russland häufen sich. Die Grenze zwischen Krieg und Frieden verschwimmt zunehmend. Das erfordere, dass zivile und militärische Bereiche wieder enger zusammenarbeiten, ähnlich wie während des Kalten Kriegs – so die Vorstellungen der Autoren des Geheimplans.
Marode Infrastruktur als Schwachpunkt
Diese Voraussetzung offenbart, was aktuell der große Schwachpunkt des Plans ist: Während im Kalten Krieg etwa Autobahnen extra so gebaut wurden, dass sie auch als Notfall-Landebahnen dienen können, ist das jetzt längst nicht mehr der Fall. Tunnel und Brücken sind teils zu schmal oder zu schwach, als dass Militärkonvois sie nutzen könnten. Generell ist Deutschlands Infrastruktur marode: Viele Autobahnen und Autobahnbrücken brauchen dringend Reparaturen, Deutschlands Häfen in der Nord- und Ostsee müssten ebenfalls für Milliarden ausgebaut werden, um den Ansprüchen der NATO gerecht zu werden.
Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur der deutschen Bundesregierung soll die kaputte Infrastruktur geflickt werden. Die angepeilte Wehrdienstreform soll in Zukunft zudem das Personalproblem der Bundeswehr lösen.
Veraltete Gesetze
Ein weiteres Hindernis ist die veraltete Gesetzeslage: So dürften Drohnen – unabdingbar in der modernen Kriegsführung – in Deutschland nicht über bebauten Flächen fliegen. Zudem bräuchten sie laut Gesetz Positionslichter, was sie im Kriegsfall nutzlos machen würde. Die Bundeswehr ist dennoch zuversichtlich hinsichtlich ihrer Fortschritte. So erklärte ein Offizier und Co-Autor des OPLAN DEU gegenüber der US-Zeitung: „Wenn man bedenkt, dass wir Anfang 2023 bei null angefangen haben, sind wir sehr zufrieden mit dem, was wir heute erreicht haben.“

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