Die einen haben den Rock‘n‘Roll über mehr als 50 Jahre hinweg geprägt, der andere führt ihn gerade mit Herz und Leidenschaft in die Zukunft. So haben sich Aerosmith und Yungblud für die 5-Song-EP „One More Time“ zusammengetan und erschaffen dabei Musik, die nach Querverbindung der verschiedenen Generationen klingt.
Vom Glück verfolgt waren die Kult-Rocker Aerosmith in den letzten Jahren wirklich nicht. 2021 war im Zuge einer großen Welttournee auch eine Show in der Wiener Stadthalle geplant, die Corona-Pandemie verhinderte das Kultereignis. Es wäre die erste Österreich-Show seit Linz 1999 gewesen. Nachdem sich die pandemischen Wogen geglättet haben, sahen Steven Tyler und Joe Perry ein, dass man es im fortgeschrittenen Alter ruhiger angehen sollte, und kündigten eine Abschiedswelttournee an – da leider bereits ohne einen Österreich-Termin. Weit gekommen sind die Bostoner dabei nicht, weil Tylers Stimmbänder nicht mitspielten. Nach einer ersten Verschiebung folgte relativ bald die endgültige Absage, mit dem leisen, aber folgenschweren Zusatz, dass man sich mehr oder weniger gezwungenermaßen in die Live-Rente verabschieden müsste.
Comeback in sanften Schritten
Bei der Verleihung zu den Grammy Awards im Jänner trat Tyler dann überraschend wieder vors Mikrofon, auch beim legendären Abschiedskonzert von Ozzy Osbourne in Birmingham zeigte er mehrere Songs lang, dass er stimmlich nichts von seiner alten Qualität eingebüßt hat. Zwischen gelegentlichen Auftritten für einzelne Songs und einer 40 bis 60 Konzerte starken Tour mit vollen Sets und Reiseanstrengungen liegen aber doch Welten, weswegen man trotz Tylers stimmlicher Wunderheilung nicht mehr allzu viel Geld auf ein richtiges Comeback setzen sollte. Dass der mittlerweile 77-Jährige aber noch immer körperlich so fit ist und auch die Noten gut trifft, merkt man auch auf der brandneuen EP „One More Time“, die Aerosmith nach der Tourabsage mit dem aufstrebenden Jungrocker Yungblud eingespielt haben.
„Wir hatten dieses Projekt nicht geplant, zu keiner Zeit“, gab Gitarrist Perry in einem Statement dazu bekannt, „wir hatten noch nie zuvor eine so große Tour anberaumt wie jene, die wir schlussendlich absagen mussten. Das war für uns alle traumatisch und herzzerreißend. Eine Zeit lang waren wir uns nicht sicher, ob wir überhaupt je darüber hinwegkommen könnten. Als wir den Schock verarbeitet haben und sich der Staub vor unseren Augen verflüchtigte, haben wir schnell realisiert, dass es auch viele andere Möglichkeiten gibt, in diesem Entertainment kreativ zu sein und eine Duftmarke zu setzen.“ Der Brite Dominic Harrison aka Yungblud kam da gerade recht. Noch bevor ihn sein Auftritt bei Ozzys Abschiedskonzert diesen Juli vom Teenie-Idol zur Rock-Hoffnung aller Generationen machte, hat er sich mit den Amerikanern vernetzt und mit ihnen an vier neuen Songs gearbeitet.
Bunte Rock-Mischung
Die bereits vor gut zwei Monaten veröffentlichte Lead-Single „My Only Angel“, ein mitreißender Song über den Verlust eines geliebten Menschen, war in puncto Gesangsleistung, Gitarren-Riffs und Produktion so gut gelungen, dass sich so mancher schon zu Lobeshymnen wie „die Neu- oder Wiedergeburt der 70er-Jahre-Rockmusik“ berufen fühlte. Yungbluds rotzige Vocals paaren sich mit dem bekannten und markanten Organ Tylers, während Perrys Gitarre sich dahinter in lichte Höhen schwingt. Dass es Aerosmiths erste neue Musik nach 13 Jahren, seit dem immer noch letzten Studioalbum „Music From Another Dimension!“ aus 2012 war, ließ den Song in diversen Charts noch zusätzlich hochschießen. Mit „Problems“ hat sich noch ein Rock-Kracher auf das 20-minütige Kurzwerk geschummelt, „Wild Woman“ und „A Thousand Days“ gehen es ruhiger an und ziehen in Richtung Country. Die Neuinterpretation des 1976er-Aerosmith-Kulthits „Back In The Saddle“ hätte wohl nicht sein müssen, könnte aber einem speziellen Wunsch Yungbluds geschuldet sein, einen Lieblingstrack seiner Helden covern zu dürfen.
Das kurze Stelldichein geht als letzte große Rock-Eruption vor Eintritt der besinnlichen Weihnachtslieder jedenfalls für alle Parteien voll auf. Fans beider Bands dürfen sich über neue und gelungene Musik freuen, Aerosmith feiern ein in dieser Form nicht zu erwartendes Comeback mit starken Tracks und der 28-jährige Yungblud kann sich nach der Fackelübergabe von Ozzy Osbourne persönlich mit diesen Liedern noch tiefer ins Gedächtnis der älteren Rockfans brennen. Dass den Songs jede Form von Innovation abgeht und man im Prinzip die Stärken beider Parteien verband, stört im weiteren Falle nicht, weil der Anspruch von „One More Time“ keine tieferen Hintergründe verfolgt, sondern einfach allen Beteiligten und Zuhörenden Spaß macht. Und wer weiß, der eine oder andere gemeinsame Auftritt (vor allem auf amerikanischem Boden) ist in Zukunft nicht auszuschließen. Die Fusion der beiden dicken Lippen hat sich jedenfalls ausgezahlt.

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